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Der Henker von Paris

Der Henker von Paris

Titel: Der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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Charles gab seinem Gehilfen einen Wink und trank demonstrativ seinen Kaffee leer. Er verbrühte sich dabei den Mund. Desmorets führte einige Soldaten in den Hof, während die anderen Charles mitnahmen.
    Sie fuhren Charles zur Conciergerie. Von weitem sah er die riesigen geschwärzten Mauern mit den Gitterfenstern, die sich am Ende des Quai du Nord wie prähistorische Ungeheuer erhoben. Es war ihm nie aufgefallen, wie bedrohlich sie wirkten. Doch jetzt, da seine Hände gefesselt waren, war es unverkennbar. Wenn man Angst hat, wird alles bedrohlich. Als sie durch das eiserne Tor in den Hof gelangten, packten ihn die Soldaten an den Armen.
    »Das ist nicht nötig«, sagte Charles, »ich habe keinen Grund zu fliehen.«
    Wie einen Schwerverbrecher führten sie ihn in das Büro von Antoine Fouquier. Der Chefankläger blickte kurz auf und gab den Soldaten mit einer abschätzigen Bewegung zu verstehen, dass sie gehen sollten. Antoine lehnte sich in seinem Stuhl zurück und musterte Charles emotionslos. Er bot ihm keinen Stuhl an.
    »Der Henker als Verdächtiger in meinem Kabinett, wer hätte das gedacht?«, murmelte Fouquier.
    »Was liegt gegen mich vor, Antoine?«, fragte Charles knapp.
    »Antoine? Hast du die korrekte Anrede schon wieder vergessen?« Fouquier war enttäuscht, dass Charles keine Angst zeigte. Er starrte ins Leere. Sein Gesicht war noch hagerer geworden, obwohl allseits bekannt war, dass er wie alle Revolutionäre einer Flasche Rotwein und üppigem Essen nie abgeneigt war. »Bürger Sanson, in deinem Schuppen haben wir eine Druckerpresse sichergestellt, mit der Schmähschriften gegen die Revolution gedruckt wurden.«
    »Ich brauche den Schuppen nicht, ich habe ihn vermietet.«
    »Bürger Sanson, die Nation wird von allen Seiten bedroht. Fremde Truppen stehen an unseren Grenzen. Das Ausland fürchtet, dass unsere Revolution auf ihre Länder überschwappt. Zu Recht. Unsere Revolution wird die ganze Welt erobern. Man kann Ideen, deren Zeit gekommen ist, nicht aufhalten. Und im Innern? Aristokraten brüten Komplotte aus. Sie wollen die Monarchie zurück. Aber die Monarchie, die kommt nie wieder. Wieso also, Bürger Sanson, hilfst du jenen, die die Errungenschaften der Revolution zunichtemachen wollen? Trifft es zu, was Gorsas in seiner Zeitung unterstellt, dass sich alle Henker Frankreichs gegen die Revolution vereint haben?«
    »Nein, die Henker Frankreichs ziehen nicht am gleichen Strang.«
    Fouquier lachte. »Wie wahr, jeder Henker hat seinen eigenen Strang.«
    »Mir war nicht bekannt, was die jungen Leute in meinem Schuppen drucken. Sie erwähnten Revolutionslieder,die sie im Palais Royal verkaufen wollten. Es hat mich auch nicht zu interessieren. Ich bin Monsieur de Paris und nicht der Spitzel irgendeiner Behörde.«
    »Das siehst du falsch. Wachsamkeit ist das Gebot der Stunde. Und wer uns nicht dient, ist gegen uns. Aber sag mal, Bürger Sanson, reicht dein Gehalt nicht aus, dass du deinen Schuppen vermieten musst?«
    »Ich werde in Assignaten bezahlt. Bis ich zu Hause bin, ist das Papier nichts mehr wert. Mein Gehalt ist ohnehin knapp bemessen. Da immer mehr Verurteilte aufs Schafott geschickt werden, nehmen die Ausgaben zu, aber nicht die Einnahmen. Ich habe mittlerweile sechzehn Personen zu versorgen, meine Familie, vier Gehilfen, Knechte, Fuhrmänner, der Hufschmied kostet bereits fünfzig Livre pro Pferd. Prämien und Pensionen bezahle ich von meinem Lohn. Dazu kommt, dass ich seit Jahren von so vielen Armen bestürmt werde, dass ich um jede zusätzliche Einnahmequelle froh bin. Es ist Tradition in unserem Haus, den Armen zu helfen. Und in diesen Zeiten sind sie dringend auf unsere Hilfe angewiesen.«
    »Höre ich eine versteckte Kritik wegen der steigenden Zahl von Verurteilungen? Bürger Sanson, wenn die Revolution einmal in Fahrt ist, werden es Zehntausende sein. Wir müssen Paris säubern und das Aristokratische ausmerzen. Jede Revolution wird wie ein Säugling im Blut geboren, und ihre Kinder waten im Blut, bis die Revolution vollendet ist.«
    »Ich hoffe, dass einer übrig bleibt, um die Strafurteile zu vollstrecken«, sagte Charles.
    Fouquier verzog keine Miene. »Notfalls werde ich es tun.Reiss den Mund nicht zu sehr auf, Bürger Sanson. Dein Amt bietet dir keinen Schutz.«
    »Ich werde Gorsas und den Courrier de Versailles verklagen.«
    Fouquier zuckte die Schultern. »Das steht dir frei. Aber vergiss deine Maschine nicht. Wir werden sie brauchen. Wir sind noch lange nicht am Ende des Weges

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