Der Henker will leben Kommissar Morry
ausweichend.
Claremont erhob sich. „Ich sehe schon, daß es keinen Zweck hat, sich mit Ihnen zu unterhalten. Wir fahren jetzt zum nächsten Polizeirevier. Dort werden Sie alles zu Protokoll geben und in meinem Beisein unterzeichnen..."
„Das ist ausgeschlossen!" sagte die Frau erregt.
„So? Ich fürchte, Ihnen wird nichts anderes übrig bleiben, als die Aufforderung zu befolgen."
„Werden Pressefotografen dort sein?"
„Tja ... die lungern um diese Zeit auf fast jedem Revier herum", meinte er.
„Nein!" Die Frau schüttelte resolut den Kopf. „Das mache ich nicht mit! Ich habe nicht den Mut, mich den Kameras zu stellen. Sie müssen mich jetzt und hier anhören.'., es ist ja doch umsonst, daß ich die Dinge zu ändern versuche."
Claremont nahm wieder Platz. „Also gut", sagte er. „Beginnen wir von vorn. Was haben Sie in dieser Wohnung gesucht?"
„Ich hatte die vage Vorstellung, daß ich etwas finden könnte... einen Brief, ein Dokument... irgend etwas, das Ferrick belastete, und das mir die Möglichkeit gegeben hätte, ihn zu erpressen."
„Warum wollten Sie ihn erpressen?"
Die Frau blickte ihn an. „Ich habe Deila Glyne und Elliot getötet", sagte sie.
Claremont schwieg einige Sekunden. In seinem Gesicht zuckte kein Muskel. „Ferrick wußte darüber Bescheid, nicht wahr?"
„Ja, er war heute Nachmittag bei mir. Er hatte mir eine Gnadenfrist von 24 Stunden eingeräumt."
„Was wäre geschehen, wenn Sie nichts gefunden hätten, was ihn belastete?"
„Ich hätte mit ihm gesprochen. Ich habe mir die Worte genau zurechtgelegt..."
„Warum sind Sie vorhin plötzlich gegangen?"
„Ich roch den Zigarettenqualm im Zimmer. Ferrick raucht selten oder nie. Ich begriff, daß er aus Furcht vor den Dingen, die sich in dieser Nacht in seiner Wohnung ereignen könnten, geflohen war und einen Detektiv nach hier beordert hatte."
„Ich verstehe."
Die Frau zögerte, dann sagte sie: „Ich kann kaum damit rechnen, daß Sie mir Glauben schenken werden, Inspektor. Ich bin eine Doppelmörderin. Das Verbrechen hat mich wiederholt dazu gezwungen, kaltblütig zu lügen. Wie kann ich unter diesen Umständen erwarten, daß Sie mir vertrauen? Aber ich schwöre Ihnen, daß ich jetzt die Wahrheit sagen will.
Ich bin mit meinen Nerven am Ende. Ich will endlich reinen Tisch machen!"
„Schießen Sie los."
„Zunächst möchte ich ausdrücklich feststellen, daß ich nicht aus niedrigen Beweggründen tötete. Ich tötete aus Mutterliebe."
„Sie haben das Wort und seinen tieferen Sinn gründlich mißverstanden", sagte der Inspektor.
„Jedenfalls tat ich es nicht, um mich zu bereichern. Ich hatte nur einen Grund. Ich wollte Marcus, den ich für ein Genie halte, von allen Einflüssen freihalten, die seine künstlerische Entwicklung hemmen oder im negativsten Sinn beeinflussen konnten."
Claremont beugte sich nach vorn. „Sie haben also auch Liz König und Clara Ryman getötet, nicht wahr?"
„Nein. Ich weiß, daß dieser Verdacht jetzt aufkommen wird, aber er trifft nicht zu.“
„Ist es nicht so, daß Sie auch diese jungen Damen nicht für gut genug hielten, Lebensgefährtinnen Ihres Sohnes zu sein?"
„Das stimmt. Sie waren kleine, ichsüchtige Biester, die den arglosen Marcus auf ihre Weise umgarnten und nur deshalb heiraten wollten, weil dann etwas von seinem Ruhm und Vermögen auf sie übergehen würde."
„Bleiben wir zunächst bei Deila Glyne und Elliot Hunter", schlug Claremont vor.
„Sie wissen, daß Deila Glyne zuerst starb. Sie war entschlossen, Marcus zu heiraten, und der arme Junge hatte sich dummerweise so sehr in sie verliebt, daß er gar nicht sah, wie verderblich, ja geradezu tödlich eine Ehe mit diesem vulgären Mädchen für ihn ausgegangen wäre."
„Tödlich?"
„In künstlicher Hinsicht, meine ich. Deila war genau der Typ, der seine schöpferischen Kräfte erstickt hätte."
„Das ist Ihre Annahme", bemerkte Claremont trocken.
„Ich weiß, daß Sie mich für eine krankhaft egoistische Mutter halten", sagte die Frau. „Vielleicht trifft es zu, daß meine Liebe für Marcus ein wenig überspannt ist... aber Marcus ist auch kein gewöhnlicher Mensch. Er ist ein Künstler. Wer das nicht mit den richtigen Augen sieht, hat kein Recht, den Fall zu beurteilen. Im Grunde genommen beflügelte mich bei allem, was ich tat, nur ein einziger Gedanke: was auch immer geschieht, muß Marcus zum Vorteil gereichen!"
„Sie werden nicht behaupten können, daß es sehr vorteilhaft für ihn ist, wenn
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