Der Herodes-Killer
Doch die Immobilie lag wie Blei, und so hatte er als Würze ein paar Worte über die Geschichte des Hauses eingeflochten.
«Mr. Graham, der Farmer, der hier gelebt hat, war während des Zweiten Weltkriegs bei der Luftwaffe. Er hat zugesehen, als die Bombe auf Nagasaki abgeworfen wurde. Das hat er niemals überwunden. Er hatte mit eigenen Augen gesehen, was eine kleine Bombe anrichten konnte. Handlungen haben Folgen. Er glaubte, dass man sich an ihm rächen werde. Daher der unterirdische Bunker.»
Die Ärmlichkeit der Wohnräume oben stand in krassem Gegensatz zur minimalistischen Perfektion unten. Es war genau das richtige Haus für ihn.
Ein Keller mit drei Räumen. Er hatte den Immobilienmakler nach der Tür in der Kellerwand gefragt. Im Prospekt und im Gespräch war sie gar nicht erwähnt worden. Der Makler hatte mit den Schultern gezuckt und die obere Türhälfte geöffnet, die in eine schwarze Tiefe führte.
«Es ist ein Gang. Er ist solide gebaut und führt zu einem Einstiegsschacht im Hof des Gebäudes. Farmer Graham hat ihn für den Fall angelegt, dass verstrahlte Überlebende von draußen hier herunter vordringen.»
Der Herodes-Killer streckte den Kopf in den Gang und atmete die abgestandene, feuchte Luft ein.
Er schlug auf der Stelle zu und kaufte das Haus zum angebotenen Preis.
Dann ließ er in einer Großaktion für zweimal zehntausend Pfund alles neu machen. Der eine Teil des Geldes ging an einen serbischen Bautrupp, der das Haus abriss und als verputzten, stabilen Rohbau neu errichtete. Die zweite Hälfte war für einen feisten Innenarchitekten bestimmt, der das Ganze – auf sein Geheiß – neutral ausbaute und einrichtete. Mit einem dritten Betrag von fünftausend Pfund kaufte er einen Isolationstank, bezahlte einen Klempner für dessen Installation im Keller und ließ das Ganze noch durch eine Sauerstoffpumpe ergänzen. Einen Klempner, der sich nicht davon abbringen ließ, ihm von seiner kurz zurückliegenden Hochzeit zu erzählen, und der ihm, ohne um Erlaubnis zu fragen, ein Foto seiner Braut zeigte.
Doch all das schien schon lange zurückzuliegen.
Der Zeitpunkt der fünften Ungeburt rückte näher.
[zur Inhaltsübersicht]
18
Es dauerte nicht lange, bis die Spur der Pflegekinder erkaltete. Es gelang Bellwood, eine Jean White bis nach Perth in Australien zu verfolgen, wohin sie mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern gezogen war. Es gab eine vorläufige Anschrift in Perth, aber keine Telefonnummer.
Bellwood legte den Hörer auf, und in diesem Moment läutete das Telefon.
«Sind Sie das, Carol?»
Sie brauchte einen Moment, um dahinterzukommen, wer sie anrief.
«Mrs. Nicholas, wie geht es Ihnen?»
«Ich habe Ihre Karte hier, diese Karte, die Sie mir gegeben haben, erinnern Sie sich?»
«Ja, natürlich …»
«Aber bei Ihnen war andauernd besetzt. Schließlich musste ich den Rückruf-Service nutzen, und das ist teuer, aber weil das hier wichtig ist, spielt das wohl keine Rolle.»
Das Geplapper der alten Dame brach plötzlich ab, und sie war vollkommen still.
«Ist Ihnen noch etwas eingefallen?», forschte Bellwood nach.
«Nein.»
Bellwood hörte noch eine weitere Stimme. Jemand war bei Mrs. Nicholas im Zimmer.
«Sind Sie allein, Mrs. Nicholas?»
«Nein. Sie heißt nicht mehr Armitage, weil sie geheiratet hat. Sie ist jetzt Mrs. Cooper, nicht wahr, Susie?» Im Hintergrund bejahte jemand die Frage. «Carol, raten Sie einmal, wen ich hier habe? Auf genau demselben Platz, auf dem Sie gesessen haben?»
«Ich habe keine Ahnung.» Bellwood spielte mit und ballte unter dem Schreibtisch die Faust wie bei einem Sieg. Am Horizont flackerte Hoffnung auf.
«Ich versuche schon den ganzen Tag, Sie anzurufen, aber bei Ihnen war immer besetzt.»
«Das tut mir wirklich leid, Mrs. Nicholas.» Dem Sinn der alten Dame für Dramatik nachgebend, fragte sie: «Wer sitzt denn bei Ihnen, Mrs. Nicholas?»
«Susie, Isobels Lieblingspflegekind. Möchten Sie sie gerne sehen?»
«Ich bin in einer halben Stunde da. Kann ich bitte kurz mit ihr sprechen?»
Ein paar Sekunden vergingen.
«Hallo?» Susie Cooper klang ängstlich und aufgeregt. «Ich habe noch nie mit einem Polizisten gesprochen, sie wissen schon, in einem Mordfall.»
«Susie, ich heiße Carol, DS Carol Bellwood. Können Sie bitte an Ort und Stelle auf uns warten? Sie haben nichts zu befürchten, aber ich würde gerne mit Ihnen reden.»
Susie war einverstanden, und Bellwood griff nach ihrem Mantel, um möglichst schnell dort anzukommen,
Weitere Kostenlose Bücher