Der Herodes-Killer
stand Sarah in der Tür.
«Tut mir leid, dass ich so spät komme», sagte er und rief sich in Erinnerung, wie mustergültig geduldig Sarah seine ewigen Überstunden im Vergleich zu vielen anderen zivilen Ehepartnern von Kriminalbeamten hinnahm. Doch heute Abend gab es, nach ihrer Körpersprache und ihrem Gesicht zu schließen, keinen Zweifel, dass sie verärgert war.
«Was ist los?», fragte er und drehte den Wasserhahn zu.
«Du hättest mich zurückrufen können.»
«Ich hätte dich zurückrufen können, Sarah, wenn du mich zunächst einmal selbst angerufen hättest.»
Sie schaute an ihm vorbei und kehrte ins Schlafzimmer zurück.
Er folgte ihr und schaltete das Licht an. Sie setzte sich auf die Bettkante.
«Wann hast du angerufen?», fragte er.
«Heute Nachmittag.»
Er holte sein Handy aus der Tasche und scrollte durch die eingegangenen Anrufe und die Nachrichten auf der Mailbox.
«Es ist nichts da, Sarah.»
«Mensch, ich habe dir auf deine Mailbox gesprochen.»
«Ich hatte heute fünf Nachrichten, aber keine von dir.»
Er setzte sich neben sie.
«Möchtest du mein Handy sehen?»
«Ach, mach dich nicht lächerlich. Wenn du sagst, dass du keinen Anruf bekommen hast, verwandle ich das hier doch nicht in eine Ermittlung. Ich weiß mit Sicherheit, dass ich dich angerufen und dir eine Nachricht auf die Mailbox gesprochen habe. Aber ich weiß auch, dass du bei so etwas nicht lügen würdest.»
Ihre Verärgerung legte sich bereits, und er berührte sie leicht mit der Hand.
«Ich habe dir eine Nachricht in der Schule hinterlassen», sagte er.
«Die habe ich nicht bekommen.»
«Das überrascht mich nicht besonders. Wahrscheinlich wird sie irgendwann Ende nächster Woche als Zettel in deinem Postfach eintrudeln. Es tut mir leid, dass ich nicht hier angerufen habe, aber die Entwicklung ist heute … eskaliert. Ich habe wie blöd geschuftet, das ist alles. Was wolltest du mir denn sagen?»
«Ich habe morgen früh einen Termin beim Krankenhausgynäkologen.»
«Ich komme. Um wie viel Uhr?»
«Um zehn im St Thomas’s.»
Er lächelte und dachte gleichzeitig darüber nach, wie viel er am nächsten Tag zu tun hatte. Er würde zwei Stunden früher als gehofft aufstehen müssen.
«Kannst du es schaffen? Realistisch, meine ich? Sonst gehe ich eben allein.»
Die Schuldgefühle gruben ihre Klauen in ihn und schüttelten ihn wie zum Spaß herum.
«Ich fahre früh ins Büro, leiere ein paar Dinge an, delegiere und treffe dich dann im Krankenhaus. Um Viertel vor zehn, okay?»
Sie wurde weich und lächelte. «Okay.»
«Welche Abteilung?»
«Schwangerschaftssprechstunde, ist das zu glauben? Ich dachte schon, du hättest mich fallengelassen, hättest mich in der Reihenfolge der wichtigen Dinge nach unten verschoben.»
«Ich mache es nicht immer richtig, Sarah, tatsächlich habe ich sogar das Gefühl, dass mir das nur selten gelingt, aber du kommst immer an erster Stelle. Es ist nur manchmal – es ist, als müsste ich mir einen Weg durch den Dschungel bahnen, nur um mit dir zusammen zu sein. Das Los einer Polizistenehefrau – kein ganz leichtes.»
«Besser, als mit einer verdammten Lehrerin verheiratet zu sein.» Sie lächelte erneut.
«Da hast du recht!»
«Fordere dein Glück nicht heraus.»
«Ich brauche ein Bad.»
«Das merke ich», erwiderte sie schnüffelnd.
Als David den Badewannenhahn zudrehte, hörte er seine Frau im Schlafzimmer leise schnarchen und nahm sich fest vor, nicht in der schmeichelnden Wärme der Badewanne einzuschlafen. Er ließ sich in die Umarmung des Wassers sinken, schloss die Augen und sann darüber nach, was er mit dem Material der Überwachungskameras in der British Library anfangen sollte. Wie und wann sollte er es am besten der Öffentlichkeit vorstellen?
Rosen rief sich Dwyer und Flint in der British Library vor Augen und dachte: Fangen wir an mit den Psychospielchen.
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43
Um sieben Uhr morgens fand Rosen einen USB-Stick auf seinem Schreibtisch, dazu eine Notiz von Gold, dass Karen Jones am Vortag den Stick für ihn dagelassen habe. Die Worte «Sie war ganz schön aufgeregt» waren zweimal unterstrichen.
Als er Karen Jones anrief, war sie bereits auf dem Weg zur Arbeit; sie war extra früh aufgebrochen, um ihn möglichst gleich am Morgen abzufangen. Eine Stunde später stand sie mit ihm vor dem versammelten Mordermittlungsteam und einer Truppe von zwölf Beamten, die hinzubeordert worden waren, um die Capaneische Bibel durchzukämmen.
Rosen begann
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