Der Herodes-Killer
zusammenzucken. Er hatte auf dem Weg zum Auto keine Menschenseele auf dem Parkplatz gesehen. Der Sprecher stand unmittelbar hinter ihm, und Harrison drehte sich um, um ihn anzusehen. Er brauchte einen Augenblick, um die Stimme mit dem Mann vor ihm in Verbindung zu bringen. Es war derselbe Mann, den er am Morgen am Absperrband bei der Albert Bridge Road gesehen hatte.
«Ich habe gefragt, ob Sie dasselbe denken wie ich?»
«Kommt darauf an, was Sie denken», antwortete Harrison.
«Ist das verdammt noch mal eine Mordermittlung, die hier läuft, oder was? Mein Name ist Daniel Taylor, und ich komme von der Abteilung interne Polizeikontrolle der Greater Manchester Police.»
Harrison verspürte instinktiv den Drang, sich bei der unverblümten Erklärung, dass vor ihm ein Beamter stand, der als Polizist Polizisten überwachte, in Luft aufzulösen. Er rückte sich die Brille zurecht und versuchte, Taylors Tonfall zu übernehmen.
«Und was zum Teufel wollen Sie von mir, Taylor?»
Taylor streckte ihm halb lächelnd, halb schulterzuckend die Hand hin. Harrison schüttelte sie mit so viel kalter Gleichgültigkeit, wie er sie angesichts der in ihm vibrierenden Neugier nur aufbringen konnte.
«In Ordnung, Robert, ich weiß, dass Sie das nur wenig tröstet, wenn man bedenkt, dass Sie immer die beschissenen Aufträge kriegen, Aufträge, die Ihrem Talent absolut nicht angemessen sind. Schon das zeigt, wie schlecht in diesem Fall ermittelt wird …»
«Rosen», sagte Harrison.
Und Taylor echote: «Rosen …»
Harrison ging ein Licht auf. Eine ganze Reihe von Lichtern. Es gab Gerüchte über die verdeckten Methoden der Abteilung interne Polizeikontrolle. Gerüchte gab es bei der Polizei immer, aber da der Fall sich schon so lange hinzog, hatten sie sich verfestigt und Substanz bekommen.
«Warum sind Sie in London?», fragte Harrison, innerlich von Begeisterung ergriffen.
«Ich bin aus Manchester hinzugezogen worden, um verdeckte Ermittlungen über die Arbeit an diesem Fall durchzuführen. Ihr Polizeichef hat sich direkt mit unserem Boss in Verbindung gesetzt. Wie verschwiegen sind Sie, Robert?»
«Machen Sie weiter.»
«Nun …» Taylor verharrte stumm. Es schien eine Stille von ihm auszugehen, die Harrison das Gefühl gab, mit jedem Augenblick weiter zusammenzuschrumpfen. «Was läuft hier ab?»
«Superintendent Baxter», stieß Harrison heraus.
«Rosens Vorgesetzter?»
«Ich habe Baxter täglich Informationen zugetragen …»
«Ja, das weiß ich, Robert. Aber was zum Teufel ist mit Ihren Informationen geschehen?»
«Baxter hat eine Kollegenkontrolle in die Wege geleitet.»
«Ja, und? Baxter hat Sie ebenfalls im Stich gelassen, Robert. Hören Sie zu. Nicht einmal er weiß über mich Bescheid, weil Baxter den Fall, offen gesagt, ebenfalls vermasselt hat. Er hätte das Kontrollgutachten schon zwei Leichen früher anfordern sollen, aber das hat er nicht getan. Wegen seines persönlichen Grolls gegen Rosen hat er die Entscheidung hinausgezögert, um Rosen Zeit und Raum zu geben, sich wirklich ans Messer zu liefern. Sie sind der Einzige im Team, der Rosens Versagen angemessen einschätzt. Ich will nicht um den heißen Brei herumreden. Ich brauche Ihre Hilfe. Es geht hier um die Sicherheit von Frauen und Kindern, nicht wahr?»
«Warum sollte ich Ihnen trauen?»
Taylor lächelte. «Ich habe jedes einzelne Mitglied von Rosens Team abgeklopft. Deshalb komme ich zu Ihnen, Robert, weil ich Ihnen vertraue. Sie werden mir vertrauen, weil ich dieses Vertrauen verdienen werde. Die Sache hier ist zu groß und zu ernst, es geht um Leben und Tod, und wir haben keine Zeit. Misstrauen Sie Ihren Zweifeln, nicht mir. Helfen Sie mir, Robert.»
Harrison sah in das Blau von Taylors Augen, die das Mondlicht in sich aufzusaugen schienen.
«Kann ich Ihnen eine Frage stellen, Robert, zu den Konsequenzen, wenn Sie nicht mit mir zusammenarbeiten?», fragte Taylor.
«Nur zu.»
«Nehmen wir einmal an, diese Ermittlungsfarce mündet in eine weitere Mutter-Kind-Entführung, und Sie haben mir nicht geholfen. Wie werden Sie sich dann für den Rest Ihres Lebens fühlen?»
Harrison hatte bisher zwar noch keine persönlichen Gefühle in den Fall investiert, erwiderte aber nichts.
«Oder drücken wir es einmal anders aus: Wie beschissen werden Sie dann aussehen? Ich frage Sie das nicht, weil mir etwas an Ihnen liegt, sondern weil Sie der richtige Mann sind. Aber ich bettele nicht, klar? Untergraben Sie Ihre Karriere nicht, Robert. Sie stehen
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