Der Herodes-Killer
ganzer Körper entspannte. Er hatte viele Fragen, aber für einige Augenblicke verschloss ihm das Glück den Mund.
Schließlich brachte er heraus: «Haben sie irgendwelche Tests gemacht?»
«Sie haben in der Abteilung Blutabnahme Blutproben genommen, um zu sehen, ob die Werte in Ordnung sind, aber der Chefarzt hat gesagt, dass anscheinend alles bestens ist. Er stimmt mit dem Schwangerschaftstest darin überein, dass ich in der zwölften Woche bin. Ich muss jetzt in die Schule zurück. Geh wieder zur Arbeit, dann sehen wir uns heute Abend. Und nimm es dir nicht übel, dass du den Termin versäumt hast.»
Rosen ergriff Sarahs Hand und hielt sie fest, als sie aus dem Krankenhaus in den Londoner Spätvormittag traten.
Fünfzehn Meter entfernt stand ein Mann still und stumm da und beobachtete das Paar mittleren Alters, das aus dem Krankenhaus kam. Die blauen Augen des Beobachters glänzten angesichts dieses Inbegriffs vollkommenen ehelichen Glücks.
Als die Rosens, noch immer Hand in Hand, sich unter den Davongehenden verloren, holte der Beobachter sein Handy hervor und rief jemanden an.
Das Handy läutete kurz.
Dann wurde abgenommen.
Eine Stimme sagte: «Ja?»
«Sind Sie das, DC Harrison?»
«Ja.»
«Daniel Taylor, Greater Manchester Police. Sie sind eine zuverlässige Informationsquelle, mein Freund. Das gefällt mir, das gefällt mir sehr. Hören Sie, ich habe einen Auftrag für Sie. Okay?»
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45
Als Rosen zum Polizeirevier zurückkehrte, herrschte in der sonst so lauten Ermittlungszentrale eine Atmosphäre wie in einer Bibliothek. Die Kriminalbeamten saßen entweder allein oder zu zweit über Ausdrucken der Capaneischen Bibel. Karen Jones stand neben Rosens Schreibtisch, an dem ein schmaler, blasser Mann saß und auf einem Laptop arbeitete.
«David», sagte Jones, «das hier ist Steve Lewis von Scotland Yards Computerkriminalitätsabteilung.»
Lewis blickte vom Laptop auf, schüttelte Rosen stumm die Hand und tippte dann: «www.a.acalpha.org».
Ein schwarzer Bildschirm. Aus der Dunkelheit trat, alt und zerfleddert, ein rotes Buch hervor. Lewis klickte auf «Enter», und der Bildschirm wurde wieder schwarz. Gleich darauf erschienen Lichtpunkte, am Nachthimmel gefangene Sterne, Tüpfelchen, die zu ganzen Wörtern anwuchsen: BÜCHER DES ALTEN TESTAMENTS.
«Klären Sie mich auf», sagte Lewis zu Jones. Rosen spürte, dass jemand hinter ihm stand. Bellwood, Corrigan, Feldman und Gold hatten sich um den Schreibtisch versammelt und verfolgten die Szene.
«Des Teufels Seite der Geschichte. Herodes’ Einschlaflektüre. Genesis. Exodus. Levitikus. Alles ist da.»
In einer Ecke des Bildschirms stand das Wort «Weiter». Er klickte es an, und das Bild verwandelte sich in roten Sand, der wegwehte und die Namen der einzelnen Bücher des Alten Testaments freigab.
«Nehmen Sie zum Beispiel einmal Genesis», schlug Jones vor.
«Können Sie kurz sagen, worum es geht?», bat Lewis.
«Die Capaneische Bibel verwendet einen biblischen Stil, doch Herz und Seele des Ganzen könnten von einem sensationsgeilen Journalisten der Boulevardpresse stammen. Der Garten Eden war ein den ganzen Tag währendes Saufgelage, eine Abscheulichkeit. Adam und Eva wurden zur Befriedigung von Gottes fleischlichen Gelüsten nach Gottes Bild geschaffen. Capaneus zufolge waren die wilden Tiere die physische Inkarnation von Engeln, die auf die Erde geschickt wurden, um die Menschen zu beherrschen und zu unterdrücken. Satan, die Schlange, empfand großes Mitleid mit Adam und Eva. Als Eva Adam gestand, dass sie ihn liebe und nicht Gott, geriet Gott außer sich vor Wut und verhängte die Todesstrafe über Adam, die von den Löwen vollstreckt werden sollte. Gott liebte, wie Sie sehen, kurzweilige Unterhaltung. Adam versteckte sich. Als Satan Eva weinend im Garten Eden fand, scharte er die wohlgesonnenen Tiere um sich – die Schlangen, die Schakale und die Hyänen –, und unter Satans Führung halfen sie Adam und Eva, dem Zorn Gottes zu entrinnen. Dessen Wut richtete sich nun gegen Satan und die anderen Tiere, die gut zu den Menschen gewesen waren.»
«Wieso motiviert das den Herodes-Killer, loszuziehen und Frauen und ihre Babys zu ermorden?», fragte Lewis.
«Direkt tut es das gar nicht. Da kommen jetzt Sie ins Spiel.»
Sie zeigte auf den Bildschirm von Lewis’ Laptop, und dort auf das Wort «Mehr».
Er klickte «Mehr» an. Wieder ein schwarzer Bildschirm. In dessen Mitte erblühte ein rotes Licht, aus dem sich
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