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Der Herodes-Killer

Der Herodes-Killer

Titel: Der Herodes-Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Roberts
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gearbeitet hatte.
    Also ging er in den Raum, in dem die Seelen festsaßen.
    Er warf den ersten langen Blick auf Julias Fötus, den kleinen Caton. Trotz der geplatzten Fruchtblase war er für ihn am leichtesten zu holen gewesen. Der Herodes-Killer empfand mächtigen Stolz auf seine wachsenden chirurgischen Fähigkeiten, und dieser löschte das Feuer der Zweifel, die in ihm gewütet hatten, als er mit Blick auf den Boden oben gelegen hatte, Zweifel an Capaneus, die jetzt ebenso lächerlich wirkten wie die Angst vor den Schritten seiner Mutter in seinen nächtlichen Träumen.
    Auf einem breiten Wandbord standen nebeneinander sechs zylindrische Gläser, bis zum Rand mit Formaldehyd gefüllt. In fünf der sechs Gläser schwamm ein Fötus.
    Hier vor seinen Augen, das war die Realität. Die fünf Seelen, die ihrer Opferung harrten, und das eine, leere Glas, das auf die sechste Seele wartete.
    Er betrachtete den kleinen Caton mit gespitzten Lippen und fragte sich, was für ein Lied wohl in seiner Seele schlummerte.
    Und was für Lieder würden wohl aus all diesen Seelen herausbrechen, wenn sie geopfert wurden?
    Er trat zum sechsten und letzten Glas, starrte in das Formaldehyd, das den sechsten Fötus erwartete, die sechste Seele. Im trüben Licht sah er sein eigenes Gesicht in der Rundung des Glases gespiegelt, sah sich mit verzerrten Zügen, und seine Zweifel waren zerstreut.

[zur Inhaltsübersicht]
    47
    Rosen starrte auf das gesichtslose Modell, das John Mason geschaffen hatte. Er grübelte über die Bilder der Person nach, die er für Paul Dwyer hielt, die Aufnahmen aus der British Library, die den Mann sowohl allein als auch zusammen mit Father Sebastian Flint zeigten.
    Rosen musste sehr genau überlegen, mit welchen Bildern er an die Öffentlichkeit gehen und in welcher Reihenfolge er sie freigeben sollte. Das richtig zu machen, war eine Frage von Leben und Tod.
    Er schaute auf das Foto des verzückten Dwyer beim Verlassen der Toilette, und dann auf das Bild von Dwyer, als er allein und mit toten Augen die British Library betrat.
    Rosen blickte auf die Uhr an der Wand der Ermittlungszentrale. Es war 22.15 Uhr, und er fühlte sich vollkommen erschöpft; es war wirklich Zeit, nach Hause zu fahren. Aber er blieb, wo er war, schaute auf die Bilder und konnte sich nicht entscheiden.
    Eines nach dem anderen sortierte er alle Fotos aus, auf denen auch Flint zu sehen war, und schob sie an den Rand seines Schreibtischs, wo sein Blick nicht darauf fiel. So blieben nur die Aufnahmen von Dwyer allein übrig: Sie lagen vor dem Modell ohne Gesicht und ohne Seele, das Mason geschaffen hatte.
    Als es auf dreiundzwanzig Uhr zuging, kam Rosen zu einer generellen Entscheidung über die Veröffentlichung der Aufnahmen aus der Überwachungskamera.
    Sie würden einer schlichten Strategie folgen.
    Er würde Dwyer isolieren. Er würde die Bilder verwenden, um Dwyer das Gefühl der Verlassenheit zu geben.
    «Sir!»
    Rosen wurde von Harrisons Stimme aus tiefen Gedanken gerissen. Ein unangenehmer Klang. Er blickte langsam auf.
    «Sie arbeiten noch spät, Robert.»
    «Sie haben mir etwas gegeben, in das ich wirklich die Zähne schlagen konnte. Die Kirche des Lebendigen Lichts.»
    Rosen bemerkte, dass Harrison einen Papierstapel dick wie ein Telefonbuch in Händen hielt.
    «Setzen Sie sich, Robert.»
    Harrison legte den Stapel auf Rosens Schreibtisch und rollte einen Stuhl heran.
    «Dann also die Kirche des Lebendigen Lichts, Robert?»
    Harrison setzte sich und begegnete unmittelbar Rosens Blick.
    «Zunächst einmal gibt es darüber eine Menge im Internet. Kurz gesagt handelte es sich um eine Sekte, die sich ins Gewand einer evangelikalen christlichen Kirche gekleidet hatte. Der Leiter war ein gewisser Pastor James ‹Jim› Walsh. Anfangs wirkte alles wunderbar, viele gute Werke in Londons East End, eine wachsende Gemeinde, Suppe für die Hungrigen, Trost für die Einsamen, überhaupt nichts Beunruhigendes. Pastor Jim war jedoch gar nicht qualifiziert, eine Kirche zu leiten; er war ein selbsternannter Geistlicher, der sich in der Abteilung für Sexualstraftäter im Gefängnis Durham selbst geweiht hatte. Ich konnte eine Frau namens Jane Rice aufspüren, die Unlock leitet, eine Selbsthilfeorganisation für ehemalige Angehörige von Sekten. Sie ist inzwischen schon älter, aber noch ganz klar im Kopf.» Er klopfte sich mit überheblicher Gelassenheit gegen die Schläfe. Du wirst selber einmal alt sein , dachte Rosen.
    Harrison griff nach seinem

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