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Der Herr Der Drachen: Roman

Titel: Der Herr Der Drachen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Morgan
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Was, wenn er etwas in ihren Augen gelesen hatte?

    Sie überquerte die Straße und näherte sich den breiten Stufen, die zum Tempel führten. Das glatte Marmorgestein war sauber gefegt, und niemand war zu sehen. Sie zögerte. Als Torg ihr die Nachricht überbracht hatte, hatte sie versucht, sich zurechtzumachen und kühl und gelassen wie immer auszusehen. Aber Rorc war aufmerksam, manchmal zu aufmerksam, und sie fragte sich, ob sie ihn wirklich würde täuschen können.
    Die blauen Flecke und kleineren Schnitte vom gestrigen Nachmittag mit Lorgon schmerzten, als sie ihre Sandalen abstreifte und die schwere Tür aufschob. Im Innern befand sich ein flacher Teich, auf dem ein fahler Schimmer lag, und der süße Geruch von Dschungelblüten erfüllte die Luft. Tuon nickte der schweigenden Schwester zu, die hinter einem Tisch saß, und überreichte ihr das Duftsäckchen. Die ältere Frau hob es an die Nase und roch daran, dann sah sie mit einem flüchtigen Lächeln zu Tuon hoch und deutete auf eine Tür, die in der Mauer hinter ihr kaum zu erkennen war. Sie war aus dem gleichen weißen Stein gefertigt wie die Wand. Als Tuon die Verriegelung geöffnet hatte, drehte sie sich auf einer Mittelachse und schwang lautlos zur Seite. Tuon schlüpfte hindurch, und die Tür schloss sich mit einem Klicken hinter ihr. Innerlich angespannt, lief sie raschen Schrittes durch die stillen Flure zum Arbeitszimmer der Vorsteherin.
    Rorc stand mit dem Rücken zu ihr am Fenster und starrte hinaus. Trotz Tuons Verfassung begann ihr Herz heftig zu pochen.
    »Du bist spät dran«, sagte er, ohne sich zu ihr umzudrehen.
    Langsam schloss sie die Tür. »Du hast unser Treffen vorverlegt, falls du dich erinnerst.« Sie setzte sich auf einen der zwei harten Stühle, die dem Schreibtisch gegenüberstanden, schlug ein Bein über das andere und faltete die Hände, damit sie nicht zitterten.
    Er riss sich vom Fenster los und wandte sich ihr zu. »Es sind ein paar Dinge geschehen. Ich muss wissen, ob du irgendetwas herausgefunden hast.«
    »Dinge? Was denn für Dinge?«
    Er stieß den Atem aus. »Erzähl es mir einfach, Tuon.«
    Sie runzelte die Stirn und glättete ihr Kleid. »Ich habe den Berater
Lorgon aufgesucht, wie du es mir aufgetragen hast. Er war … genauso wie immer, aber er hat mich nicht lange genug allein gelassen, als dass ich seinen Raum hätte durchsuchen können. Ich hätte dir sofort eine Nachricht zukommen lassen, wenn ich irgendetwas herausgefunden hätte.«
    Rorc fluchte und ging um den Schreibtisch herum, um sich auf den Stuhl neben ihr zu setzen. Er streckte seine langen Beine vor sich aus und lehnte sich zurück, während er seinen Nasenrücken knetete. Er sah sehr müde aus. Unter seinen dunkelgrünen Augen lagen Schatten, und seine Stirn war von Besorgnis gefurcht. Tuon verspürte den Drang, ihm die Sorgenfalten aus dem Gesicht zu streichen.
    »Ich hatte auf mehr gehofft.« Er ließ seine Hand sinken. »Tuon, die Führerin ist vergiftet worden.«
    »Wie bitte?« Sie starrte ihn an. »Ist sie …?«
    »Tot? Nein, aber man fürchtet, dass sie sich möglicherweise nicht mehr erholt. Und ihre hohlköpfige Tochter ist auf einem ihrer Vergnügungsausflüge verschwunden. Noch hat man sie nicht gefunden.« Entmutigt und niedergeschlagen stieß er den Atem aus. »Ich muss alles wissen, was du herausgefunden hast, egal, wie nebensächlich es dir erscheinen mag.«
    Tuon schluckte, ihr Mund war trocken. »Du verdächtigst Lorgon?«
    »Er hat nie einen Hehl daraus gemacht, wie wenig er die Führerin schätzt, aber da ist er nicht der Einzige.«
    »Nun, ich habe überhaupt nichts herausgefunden, aber Lorgon spricht gerne, wenn er …«
    »Was hat er gesagt?«, unterbrach Rorc sie.
    »Viel. Vor allem hat er Flüche ausgestoßen. Aber er sagte auch immer wieder, dass ich nehmen solle, was er mir gibt, und um Entschuldigung zu bitten habe. Das musste ich sehr häufig sagen, immer wieder, und dass er recht habe. Das mag er, besonders, wenn ich dabei auf den Knien liege.« Sie sah kurz zu Rorc und bemerkte, wie er die Zähne zusammenbiss.
    »Das ist alles?«, fragte er leise.

    Sie nickte und rieb gedankenverloren an einem Bluterguss unter dem Ärmel ihres Kleides. Rorcs Blick fiel auf ihren Arm. Seine Lippen wurden schmal, er beugte sich zu ihr, packte ihre Hand und schob den Ärmel hoch, sodass eine Reihe fingerförmiger blauer Flecken an der Außenseite ihres Oberarmes zutage trat.
    »Lass das.« Sie versuchte, sich loszureißen, aber er hielt

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