Der Herr Der Drachen: Roman
sie fest.
»War er das?«
»Was interessiert dich das?«
»Wenn ich gewusst hätte, dass er so etwas mag, dann hätte ich dich nie gebeten, zu ihm zu gehen.«
Tuon starrte ihn an. War er denn wirklich so blind? »Sie sind alle so«, sagte sie. »Je mehr Münzen sie haben, umso eher denken sie, dass sie sich alles leisten können.« Sie löste sich aus Rorcs Griff, stand auf, ging zum Fenster und drehte ihm den Rücken zu. »Was glaubst du, was ich tue, Rorc? Oder ziehst du es vor, nicht darüber nachzudenken? Es war schon immer so. Die mächtigsten Männer sind die grausamsten. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich lieber im Gasthaus Seemännern und Soldaten zu Diensten sein.« Sie drehte sich zurück, um ihn anzusehen, aber seine Augen verrieten ihr nichts. Tuon verschränkte ihre Arme.
»Überrascht dich das? Dass ich einen Mann mit Erde an den Händen einem vorziehen würde, der in Seide schläft? Dass mir ein Mann lieber wäre, der ein Schwert anstelle eines Goldsäckchens schwingen kann?«
Rorc blinzelte und runzelte die Stirn, als ihm auffiel, wie heftig ihr Tonfall geworden war.
»Mich überrascht nur wenig«, entgegnete er, aber der Blick, den er ihr zuwarf, zeigte, dass er verwirrt war.
Tuon befürchtete, dass sie ihre wahren Gefühle verraten hatte; sie setzte sich wieder vor den Schreibtisch und spielte an einer kleinen Statue herum. »Nun ja, was soll’s«, wiegelte sie rasch ab. »So ist mein Leben eben nicht.«
Einen Moment lang sagte er nichts, und als er wieder ansetzte, war seine Stimme tief und leise. »Es tut mir leid, dass du verletzt worden bist. Das wird nicht noch einmal geschehen.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Es ist ja vorbei.«
»Ich meine es ernst, Tuon.«
Sie sah auf. Seine grünen Augen ruhten auf ihr, und sie hielt seinem Blick stand. Stille breitete sich zwischen den beiden aus. Er meinte es wahrhaftig so, wie er es gesagt hatte, das konnte sie in seinen Augen lesen.
Sie lächelte und fühlte sich zerbrechlich wie Glas. »Mach keine Versprechungen, die du nicht halten kannst«, entgegnete sie und sah zur Seite, denn sie hatte das Gefühl, dass ihr das Herz zerspringen müsste.
Einen Moment lang war er still, dann stand er auf, befestigte sein Schwert an seiner Hüfte und begann vor dem Schreibtisch auf und ab zu laufen, die Arme vor der Brust verschränkt.
»Wo war deine Freundin Shaan heute Morgen? Sie war nicht im Gasthaus.«
Tuons Herz schlug ihr bis zum Halse. »War sie nicht? Dann weiß ich es auch nicht.« Sie runzelte die Stirn. »Sie hätte dort sein sollen, aber ich habe mich nicht vergewissert.«
Er sah sie eindringlich an, und sie fragte sich, was für einen Boten er geschickt haben mochte. Dass einer der Glaubenstreuen Shaan auf den Fersen war, jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Wusste Rorc wirklich nicht, wo sie war, oder stellte er sie nur auf die Probe?
»Vielleicht ist sie zur Drachenanlage gegangen. Du weißt doch, wie früh die Arbeiter da manchmal anfangen.«
»Vielleicht«, antwortete er. »Ich will nur mit ihr sprechen. Bist du sicher, dass du nicht weißt, wo sie steckt?«
»Ja, ich weiß es tatsächlich nicht«, antwortete sie viel zu rasch, und er lächelte kurz und wehmütig.
»Und selbst wenn du es wüsstest, würdest du es mir nicht verraten.«
»Sie ist für dich nicht von Wichtigkeit.« Tuon fürchtete sich davor, ihm in die Augen zu blicken. »Lass sie in Ruhe, Rorc, bitte.«
»Sie ist wichtiger, als du ahnst«, sagte er vieldeutig und legte seine Hände flach auf den Schreibtisch, beugte sich vor und sah
ihr ins Gesicht. »Versprich mir, dass du es mir sagst, wenn du weißt, wo sie steckt. Sie könnte in Gefahr sein, und du würdest ihr damit einen großen Dienst erweisen.«
»Was meinst du?« Ihr Herz hämmerte gegen ihre Rippen, aber er schüttelte nur den Kopf.
»Ich kann es dir nicht sagen, aber du musst mir vertrauen. Vertraust du mir, Tuon?« Er musterte sie prüfend, und die Angst um Shaan ließ ihre Haut prickeln.
»Ja«, flüsterte sie, weil es stimmte, und weil ihre Liebe zu ihm sie mehr an ihn band, als sie es manchmal ertragen konnte.
»Gut.« Er richtete sich wieder auf. »Und, Tuon«, etwas flackerte in seinen Augen auf, »da ist noch etwas. Der Traumseher Petar wurde tot in seinem Haus am Markt aufgefunden. Wusstest du das?«
Der Atem gefror ihr in der Brust. Ihr Herz hämmerte so laut, dass sie sich sicher war, er müsste es hören. Sie schüttelte den Kopf. »Nein.«
Er starrte sie an und
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