Der Herr Der Drachen: Roman
War dies der Gefallene? Stand Azoth vor ihnen?
Ohne jedes Geräusch griff Torg unvermutet nach dem Messer, mit dem er das Brot geschnitten hatte, und warf sich auf den Fremden.
Die Augen des fremden Mannes weiteten sich, als sie den
dicken, goldenen Ring an Torgs Ohr baumeln sahen. »Aaaah!«, rief er, ließ Shaans Handgelenk los und wich geschickt Torgs Angriff aus. Er griff nach der Hand des größeren Mannes, entwand ihm das Messer und trat ihm die Beine weg, sodass er auf den Boden stürzte. Mit einer kaum sichtbaren geschmeidigen Bewegung hob er das Messer auf, ließ es in seiner Hand herumwirbeln und stieß dann zu, sodass die Klinge bis zum Heft in Torgs Brust versank.
Tuon schrie, als das Blut aus seinem Herzen hervorquoll.
»So enden die Nachkommen von Dieben«, murmelte der Mann und riss Torg den goldenen Ring aus dem Ohr.
»Nein!«, kreischte Tuon. Sie merkte, dass sie sich nun wieder bewegen konnte, und warf sich auf den Fremden.
Mühelos wehrte dieser ihre Arme ab, mit denen sie auf ihn einschlug, und schleuderte sie zurück gegen den Tisch. Schmerz flackerte in ihr auf, als sie mit der Seite auf dem massiven Holz aufprallte und zu Boden rutschte. Ihr Kopf krachte auf die harten Fliesen. Vor ihren Augen verschwamm alles. Die Fliesen waren kalt an ihrer Wange, und sie konnte nur noch schwach Torg erkennen, um dessen Körper sich eine Blutlache ausbreitete. Sie hörte etwas fallen, dann entfernten sich Schritte, und die Tür wurde geschlossen. Das Licht im Zimmer war nun strahlender, die Luft wärmer, und der Rauch … War das Rauch in der Küche? Ein knisterndes Knacken ertönte, und eine Flammenzunge schob sich das hölzerne Tischbein hinunter. Feuer! Sie sollte sich bewegen; sie musste fort. Als würde sie sich durch eine mächtige Flutwelle quälen, kroch Tuon über den Fußboden.
»Stellt sechs Gruppen mit je vier Männern zusammen«, befahl Rorc dem Jäger. »Durchkämmt die Stadt; wenn ihr ihn findet, setzt eure Armbrüste ein, aber versucht nicht«, er betonte die Worte, »ihn mit euren Schwertern unschädlich zu machen. Er ist zu gefährlich. Und das Mädchen will ich lebendig.«
Der Mann nickte. »Was ist mit dem Septenführer Balkis?«
»Ich werde ihn selber suchen.«
»Jawohl.« Der Jäger drehte sich um und rannte den Flur hinunter, dann verschmolz er mit den Schatten. Rorcs Mund hatte einen verkniffenen Zug, als er ihm hinterherstarrte. Als er dazugekommen war, war Balkis bereits fort gewesen. Leichtsinnig war er auf eigene Faust Shaan und dem Mann gefolgt, der sich selbst Azoth genannt hatte. Die Götter allein wussten, wie er ihn auszuschalten gedachte. Er hätte es kommen sehen müssen , dachte Rorc, zügelte aber seinen Zorn und kehrte in sein Zimmer zurück.
Als er eintrat, sah er die Seherin aufgebracht hin und her laufen, während Morfessa und Cyri ihr dabei zusahen.
»Wie kann es sein, dass Ihr davon nichts gewusst habt?« Veila funkelte Morfessa an. »Er war in Eurem Heim und ist Euch ebenda zur Hand gegangen!«
»Veila.« Langsam erhob sich Cyri von seinem Stuhl und legte ihr eine Hand auf die Schulter, sodass sie einen Moment lang aufhörte, herumzuwandern. »Azoth muss irgendwie seinen Geist vernebelt haben, um sich selbst zu schützen. Vergiss nicht, was er ist.«
Veila warf ihm einen aufgebrachten Blick zu und stieß seine Hand weg. Sie hatte sich vor Morfessa aufgebaut. »Warum habt Ihr sie nicht sofort zu mir gebracht? Warum musstet Ihr sie in diesem Raum verstecken?«
Morfessa saß in seinem Sessel und kühlte einen Bluterguss auf seinem Kopf. Er war blass, und die tiefen Schatten unter seinen Augen ließen sein Gesicht eingefallen und alt aussehen. »Ich musste mich erst vergewissern«, sagte er leise. »Ich glaubte, dieser Raum sei sicher. Ich ahnte ja nicht …« Er machte eine hilflose Geste mit der Hand und sah zur Seite. »Die Augen waren die gleichen, wie konnte ich nur übersehen, dass …«
Veilas Lippen wurden schmal. »Eure Liebe zum Wein hat Euren Geist schon viel zu lange verwirrt.«
»Veila!« Cyris Stimme war fest. »Sei nicht so schnell mit deinem Urteil bei der Hand. Azoth ist mächtig, auch ohne den Schöpferstein, und es wird uns nicht retten, wenn wir uns nun auch noch untereinander zerstreiten.«
»Wenigstens müssen wir uns jetzt nicht mehr darüber auseinandersetzen, ob er wohl zurückkommen könnte«, sagte Veila, nachdem sie sich zu ihm umgedreht hatte. »Nun glaubst auch du, dass er wieder da ist.«
Der Konsul presste die
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