Der Herr Der Drachen: Roman
fliehen.
»Es spielt jetzt keine Rolle«, sagte Attar. »Komm, wir müssen fort.«
»Fort?« Tallis hörte ihn kaum, denn er starrte den Drachen an. Wieder diese Worte.
»Tallis!«, schrie Attar. »Los jetzt. Wir müssen aufbrechen.«
»Was?« Er versuchte, sich zu konzentrieren. »Aber Jared ist im Dorf und noch nicht so weit geheilt, dass er mitkommen könnte.«
»Wie du meinst, dann bleib eben hier!« Attar kam auf ihn zu, und das Wasser schlug spritzend an seinen Beinen empor. »Wenn ich jetzt nicht gehe, kann es gut sein, dass Marathin ohne mich aufbricht. Was immer hier mit diesen Dorfbewohnern geschehen mag, ich kann ihnen nicht helfen. Der Drache, der da kommt, ist kein wilder. Das ist alles, was im Augenblick für mich wichtig ist.« Er watete zum Ufer zurück und hob Harakas Sattel auf.
»Was, wenn alles noch viel schlimmer ist?«, schrie Tallis. »Was wird aus diesen Menschen? Wenn Marathin so viel Angst vor demjenigen hat, den dieser Drache trägt, ist die Gefahr vielleicht noch viel größer. Wie kannst du die Dorfbewohner alleinlassen, wenn du ihnen helfen könntest?« Tallis starrte ihn ungläubig an. »Du hast keine Ehre.«
»Und du kommst nicht mit, weil du Angst hast«, gab Attar zurück. »Es ist nicht dein Kampf, Tallis.« Er befestigte den Sattel an Harakas Halskamm. »Komm mit mir.«
»Nein. Ich werde Jared nicht verlassen!« Tallis wandte sich ab und wollte sich auf den Weg zurück ins Dorf machen. Doch Marathin stieß einen kehligen Laut aus, schoss über ihn hinweg und landete direkt vor ihm auf dem schmalen Sandstreifen am Flussufer, sodass er nicht an ihr vorbeikonnte. Der Luftstoß ihres Flügelschlags hätte ihn beinahe umgeworfen, und zischend reckte sich ihm ihr Kopf entgegen. Du musst mitkommen. Flieh! Ihre Stimme drängte sich in sein Bewusstsein.
Tallis, der fast rückwärts zu Boden gefallen wäre, brüllte zornig: »Halte sie zurück, Attar!«
»Ich gebe ihr keine Befehle«, erwiderte Attar.
Komm. Flieh . Marathins Kopf senkte sich herab, bis sie mit
Tallis’ Gesicht auf einer Höhe war und ihm geradewegs in die Augen blicken konnte. Er kommt. Er wird uns seinen Weg aufzwingen. Uns verändern. Er wird dich erkennen. Der Kopf des Drachenweibchens war viermal so groß wie der von Tallis, und ihr Blut rief ihn. Ein Geräusch wie Wasser, das durch eine Höhle braust, erfüllte seinen Geist, und er sah goldene und purpurne Lichter in den Tiefen der grünen Drachenaugen aufflackern.
Flieh! , drängte Marathin wieder.
Tallis versuchte, sich an ihr vorbeizuschieben, doch sie spreizte ihre Flügel und hielt ihn auf.
»Attar!«, rief Tallis. Als er sich hilfesuchend umblickte, sah er, wie sich die Augen des Reiters überrascht weiteten, dann spürte er einen heißen Atem an seinem Nacken, und Marathins vordere Klauen schlossen sich um seine Hüfte. Blitzschnell hob sie ihn in die Luft. Tallis schrie auf. Aber er hatte zu viel Angst davor, dass eine ihrer Krallen ihn durchbohren würde, wenn er sich bewegte. Sie trug ihn jedoch nur eine kurze Strecke durch die Luft. Kaum war sie über Haraka, ließ sie Tallis in den Sattel fallen. Sofort stieg Haraka empor und blieb flügelschlagend über dem Fluss stehen, zu hoch, als dass Tallis hätte abspringen können.
»Attar!«, brüllte Tallis wütend, doch der schüttelte nur den Kopf.
»Es tut mir leid«, sagte er, als er seinen eigenen Sattel auf Marathin festzurrte. »Ich verschwinde jetzt, und es sieht so aus, als würdest du mich begleiten.«
Er sprang auf Marathins Rücken, und der Drache erhob sich in die Luft, gefolgt von Haraka. Tallis konnte nichts tun, und so hielt er sich am Geschirr fest, während Haraka immer weiter über die Baumwipfel und in die schwüle Luft emporstieg. Dann flogen die beiden Drachen eine Kurve, und Tallis sah das Dorf unter sich. Auf dem Laufsteg vor der Gemeinschaftshütte hatte sich die gesamte Bevölkerung versammelt. Tallis erkannte Jared, der wegen seiner Körpergröße aus der Menge herausragte. Sein Erdbruder stand neben Alterin, und seine Hand lag auf ihrem Arm. Beide schauten zu ihm nach oben, und Tallis sah, dass sich Jareds Lippen bewegten.
»Jared!«, schrie Tallis. Doch der Wind trug seine Stimme davon.
Haraka wandte sich nach Süden, und auch Tallis bemerkte einen weiteren Drachen auf sie zukommen. Seine Flügel ließen ihn mit mächtigen Zügen durch die warmen Dunststrudel gleiten. Es war kein wilder Drache. Das Tier war sogar größer als Marathin, und auf seinem Rücken saßen
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