Der Herr Der Drachen: Roman
meinte, auf dem Azoth ritt. Gut, dann wird sie nahe sein , erwiderte er. Flieg dorthin .
Arak ist dort . Er spürte die Furcht in ihren Gedanken.
Hab keine Angst , entgegnete er. Ich werde dich beschützen.
Als sie die Wahrheit in seinen Worten hörte, legte sie ihre Flügel an und tauchte mit einem kurzen Schnappen ihres Schwanzes hinab.
Ihre Umgebung, die ganze Welt - alles war verschwunden. Sie hatte keinen Halt mehr, trieb ziellos in der Schwärze. Die Stimme war überall um sie herum, flüsterte, flüsterte, kalt und sanft, hart und fordernd. Sie zerrte und zog an ihr, und alles wurde zu Schmerz. Obwohl sie keinen Körper mehr hatte, verbrannte sie. Wie vom Wind verstreute Samen wehten einzelne Erinnerungen in ihr Bewusstsein: das Gesicht einer Frau, dunkles Haar und blasse Wangen, eine Momentaufnahme von Wasser vor dem Bug eines Schiffes, eine Kerze, die auf einem geschrubbten Tisch flackerte, das schwarze Gesicht eines Mannes, zu einem Grinsen verzogen, und mehr, viel mehr. Ein Kaleidoskop des Lebens wirbelte durch ihren Geist, bis nur noch ein Gedanke übrig war, nur einer: Ich sterbe.
Fast war sie erleichtert, doch dann sah sie einen Lichtschein. Ein Funke sprang durch das Nichts, und Shaan tat das einzig Mögliche: Sie griff danach. Im nächsten Augenblick entfaltete sich eine ganze Welt des Schmerzes in ihrem Inneren.
Ihr Gesicht schlug gegen harte Ziegel, und Lichter blitzten vor ihren Augen auf. Sie öffnete sie und begriff, dass es hell war. Sie lag auf dem Boden des Tempels und streckte, den Rücken verkrampft, ihre Hand empor. Am Ende ihres Fingers war ein Riss in der Dunkelheit. Das Gefüge der Welt war durchbrochen, und durch die Öffnung kam ein Licht, das direkt auf ihre Hand zuhielt. Es war klein und formlos, etwa so groß wie ihre Faust. Eine Wolke aus Dunkelheit, die, von silbernen Fäden durchzogen, direkt auf ihre Hand zuwirbelte. Ungläubig sah sie zu, wie sie näher kam. Ihr Körper erzitterte, als die dunkle Masse durch den Riss in die Welt drang. Dann berührte sie die Dunkelheit, und ein Lichtbogen sprang begleitet von entsetzlichen Qualen ihren Arm hinauf und zuckte über ihre linke Seite. Ihr Herz hörte auf zu schlagen, und sie brach auf dem Boden zusammen, als die Kraft der Schöpfung durch ihr Inneres schoss.
Draußen fiel Tallis mit einem lautlosen Schrei auf Marathins Hals, als er fühlte, wie Shaans Leben verebbte. Seine Brust bebte, als der Drache inmitten durcheinanderfallender Steine innerhalb
der Stadtmauern landete. Wie ein Echo von Shaans Qualen fuhr ein Strom aus Schmerz in seine Seite. Er wusste, dass er ihr helfen konnte, wenn er es nur schaffte, sich zu konzentrieren. Aber der Schmerz! Vom Hals des Drachen rutschte er hilflos zu Boden. Wenigstens konnte er sie jetzt so deutlich spüren, dass er genau wusste, wo sie sich befand. Arak-si. Schmerz , zischte Marathin, und er lehnte sich einen Moment gegen sie.
Sieh nach mir, wenn ich rufe , sagte er. Dann stieß er sich von ihr ab und rannte los.
Als Shaan zurückfiel, sprang Azoth vor und umfing die dunkle Masse des Steins mit beiden Händen. Im Licht erstrahlten seine Augen violett. Der Gefallene hielt den Stein fest umklammert, während sich sein Körper durch die Gewalt der freigesetzten Energie nach hinten bog. Ein helles, silbernes Feuer entsprang dem Stein und bedeckte Azoths Körper. Einen Moment lang bestand er nur aus Licht und purer Energie. Während der Stein in den Händen des Gottes immer weiter feste Gestalt annahm, wurde das Licht flackernd in sein Inneres gesogen. Zurück blieb Azoth, dessen Augen wieder die Farbe schwarzen Indigos angenommen hatten.
Draußen vor dem Tempel wurde die Nacht durch das helle Feuer erleuchtet, das aus dem Eingang schlug. Doch Nuathin sah nicht hin. Er blickte in den Himmel empor, seine strahlenden Augen auf einen großen Schwarm von Drachen gerichtet, der über ihn hinwegflog und mit rauen Schreien die Luft erfüllte. Der Regen hatte aufgehört, und die Drachen landeten auf den Dächern und zerbrochenen Mauern, die den Tempel umgaben. Zusammengekauert hockten sie da wie große, schreckliche Vögel, während ihre stachelbewehrten Schwänze auf den Stein schlugen und die zerfallenden Ziegel zu Staub zermahlten.
Still beobachteten sie den Tempel, als Azoth nach draußen trat, die schwarzen Stufen hinunterging und neben Nuathins Schulter stehen blieb. Langsam drehte er sich herum, um die Drachen anzusehen. Dann hob er mit glitzernden Augen den Stein in die
Höhe
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