Der Herr Der Drachen: Roman
so langer Zeit aufgeschrieben hatte.
Meine Forschungen legen die Vermutung nahe, dass Azoth den Schöpferstein benutzt hat, um mit einer Sterblichen ein Kind zu zeugen, ehe sein Reich zerschlagen wurde. (Siehe Rollen 1-7). Weitere Studien haben ergeben, dass das Kind die Auslöschung überlebt haben könnte. Was bedeutet das für unsere Zeit?
Er sah von der Schriftrolle auf und schaute sich mit starrem Blick im Raum um. Wie konnte es ihm entfallen sein, dass er etwas von solcher Wichtigkeit aufgeschrieben hatte? In letzter Zeit schien er so viel zu vergessen. Er schüttelte den Kopf. Wie dem auch sei, jetzt hatte er es ja wiedergefunden.
Und wenn es wahr war, was Shaan gesagt hatte, wenn sie also wirklich jemanden kannte, der diese Worte gehört hatte, wer konnte sie dann ausgesprochen haben? Niemand außer ihm selbst
und Veila beherrschte seines Wissens nach die uralte Sprache, ja er bezweifelte sogar, dass heutzutage noch viele Drachen am Leben waren, die sich damit auskannten. Es war eine tote Sprache, die mit den Göttern ausgestorben war.
Aber nun … Was hatte das alles zu bedeuten? Konnten sich seine alten Theorien als wahr erweisen?
Arak-si: »Geliebter, Nachkomme von Azoth .« Es war erstaunlich, unmöglich, beängstigend. Eine Linie von Sterblichen, die vom Gefallenen abstammte.
Ob sie wussten, wer sie waren? War die Person, die Shaan das Wort Arak-si verraten hatte, einer von ihnen? Konnte er oder sie der Katalysator für Azoths Wiederkehr sein? Konnte es sein, dass die Nachkommen dieses ersten Kindes, welches er vor so langer Zeit gezeugt hatte, ihn in den letzten zweitausend Jahren hatten erstarken lassen? Konnte ihre Existenz ihn an die Welt der Sterblichen binden und es ihm ermöglichen, sich schließlich doch aus seinem Gefängnis zu befreien?
Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Die Götter konnten kein Kind mit einer Sterblichen haben, das war verboten. Aber Azoth hatte den anderen den Schöpferstein entwendet, sie in die Schatten gedrängt und alle Macht des Steins für sich selbst beansprucht. Und er hatte ihn über fünfhundert Jahre in seinem Besitz. Er hatte herausgefunden, wie er ihn benutzen musste, um Menschen und Drachen zu einer neuen Rasse zu verschmelzen. Warum sollte er nicht auch einen Weg gefunden haben, seinen Samen in eine Sterbliche zu pflanzen?
Der alte Mann starrte auf die Schriftrolle, als ihm plötzlich ein beängstigender Gedanke kam. War es möglich, dass Azoth all dies geplant hatte? Nachdem die Vier Verlorenen Götter einen Weg gefunden hatten, Amora dazu zu bringen, den Stein zu stehlen und sie zu befreien, hatten sie Azoth in dem Wissen besiegt, dass ihnen kein anderer Weg blieb, als den Schöpferstein gegen ihn zu richten und ihn dann in ein verborgenes Reich zu verbannen. Hatte Azoth gewusst, dass die anderen irgendwie über ihn triumphieren würden, und einen Plan für sein eigenes Überleben
geschmiedet? Hatte er, indem er den Schöpferstein nutzte, um Leben in einer Sterblichen heranwachsen zu lassen, in dem Kind eine Verbindung zu ihm und dem Stein angelegt? Und würde diese Verbindung auch auf seine Nachkommen übergehen? War sie so stark, dass Azoth jetzt, genau jetzt, wieder auferstanden war, lebte und unter ihnen wandelte?
Morfessas Mund wurde trocken, und er ging rasch zu seinem Weinkrug. Er goss sich ein großzügiges Glas ein, stürzte es in einem langen Zug hinunter, schenkte sich dann noch einmal nach, schloss die Augen und genoss das Feuer, als die Flüssigkeit seinen Magen erreichte. Das alles war so viel auf einmal. Er starrte auf die Schriftrollen. Die Nacht würde er damit verbringen, sie sorgfältig durchzugehen, und morgen würde er mit Rorc sprechen und ihm das Pergament und all seine anderen Aufzeichnungen zeigen. Rorc würde wissen, was zu tun war. Vielleicht konnte er sogar dieses Mädchen, Shaan, dazu bringen, hierher zurückzukommen, damit er alles herausfinden konnte, was sie wusste. Er war sich sicher, dass sie irgendetwas verbarg, was diese Freundin von ihr anging. Vielleicht gab es gar keine Freundin. Er hielt inne, das Glas an den Lippen.
Hinter ihm öffnete sich die Tür, und als sich Morfessa erschrocken umdrehte, verspritzte er Wein auf seinem Hemd.
»Prin!« Er sah den jungen Mann an, der im Türrahmen stehen geblieben war. »Wo habt Ihr gesteckt?«
Die Augen des jungen Mannes huschten zu den Weinflecken auf Morfessas Hemd und über die Schriftrollen, die überall auf dem Boden verteilt waren, aber er gab keine
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