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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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aus, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ein Saal mit Tischen, Stühlen und einer Theke wie in einer Bar. Es waren rund dreißig Leute anwesend, alle noch jung, so etwa zwischen fün f zehn und zwanzig. Bei meinem Auftauchen verstummten die Gespr ä che, alle Blicke richteten sich schlagartig auf mich.
    Nach kurzem Zögern steuerte ich die Bar an. Ob man hier zahlen musste? Hinterm Tresen stand ein vielleicht siebzehnjähriger Junge, der sich inmitten all der Flaschen und Kannen langweilte. Er war sehr blass und mager, doch das hielt ich inzwischen für ein allgemeines Charakteristikum in dieser Gegend.
    »Einen Wein?«, fragte er lächelnd.
    Das hätte mir gerade noch gefehlt, dass ich mich jetzt betrinke! Ich schüttelte den Kopf. »Einen Saft.«
    »Mehr nicht? Und was für einen?«
    »Egal.«
    Achselzuckend goss er eine grellgelbe Flüssigkeit in ein hohes Glas. »Moment mal!«, rief er plötzlich. »Du bist doch der neue Senior, den unser Junior Len mitgebracht hat!«
    »Ja«, sagte ich zögernd. Ob das eine Falle war?
    »Hervorragend!« Der Barkeeper band sich die Schürze ab, auf die orangefarbene Blumen gedruckt waren. »Dann übernimmst du meinen Posten. Das ist bei uns nämlich so üblich. Vergiss nicht, den Boden zu wischen, nachdem alle gegangen sind, und … «
    Ich ließ den Blick durch den Saal schweifen. Offenbar genossen alle Anwesenden das Intermezzo.
    »Hab schon bessere Witze gehört«, meinte ich mit dem freundlich s ten Lächeln und trat vom Tresen weg. Schweigend band sich der Ba r keeper die Schürze wieder um – also hatte ich genau richtig reagiert.
    »Danka!«
    Als ich mich nach der Stimme umdrehte, entdeckte ich Shoky, der zusammen mit zwei anderen Jungen an einem Tisch beim Kamin saß. Alle drei wirkten wie um die zwanzig, was hier wohl das Höchstalter war. Sie sahen ziemlich mager aus. Einer rauchte eine lange Zigarette. Der Tabak roch seltsam, eher süßlich und überhaupt nicht wie sonst der eklige Qualm.
    Wie hatten die wohl meinen Namen rausgekriegt?
    »Setz dich zu uns!«, rief Shoky.
    Mir fiel kein Grund ein, warum ich die Einladung hätte ablehnen sollen. Deshalb ging ich zu ihrem Tisch hinüber und setzte mich auf einen freien Stuhl, genau gegenüber von Shoky.
    »Wie gefällt dir unser Club?«
    Ich zuckte bloß die Achseln.
    »Und die Stadt?«
    Jetzt lächelte ich.
    »Also, ein Plappermaul bist du wirklich nicht«, sagte Shoky. »Aber keine Sorge, Danka, ich pass schon auf, dass dich niemand beleidigt. Du bist nämlich noch sehr jung … äußerlich zumindest … darin besteht das Problem.«
    »Ich weiß«, erwiderte ich, da es mir schwerfiel, weiter den großen Schweiger zu mimen. »Aber das wird sich ändern.«
    »Das wird es, leider«, seufzte Shoky. »Du solltest dir aber nichts auf deine Figur einbilden, Danka. Nimm zum Beispiel mich, ich habe mich absolut damit abgefunden, dass ich höchstens noch ein halbes Jahr fliegen werde. Gnat und Alkk … « Er blickte zu den beiden and e ren hinüber. » … sind sich ebenfalls darüber im Klaren. Obwohl sie alles tun, um ihr Gewicht zu halten. Aber dein Auftauchen hat natü r lich viele neidisch gemacht. Du bist schon Senior in deinem Team, wirst aber noch viele Jahre fliegen. Ihre Zeit dagegen läuft ab.«
    Endlich machte es bei mir klick. Die Flügel nutzten Erwachsenen nichts. Deshalb trugen in dieser Stadt nur Kinder und Jugendliche di e se Dinger, um damit zu fliegen und gegen die Monster der Finsternis zu kämpfen.
    Nun begriff ich auch die Gefühle der Senioren gegenüber ihren J u nioren: Ihre eigene Zeit lief aus, aber sie wollten die Flügel unbedingt behalten. Kopfzerbrechen bereitete mir allerdings noch die Frage, was eigentlich die Erwachsenen taten.
    »Danka … «
    Ich sah Shoky an.
    »Hast du Len zu deinem Partner gewählt?«
    »Ja.«
    »Überstürze nichts, Danka. Ich brauche dir nicht zu erklären, was von deinem Partner abhängt. Und Len ist ein Feigling. Sicher, er hat dir geholfen, als du deine Flügel verloren hattest, als du ohne Waffe dastandest und nicht wusstest, wohin. Aber glaub mir, er profitiert davon.«
    Ich nippte an dem Saft in meinem Glas. Er war extrem sauer. War das etwa pure Zitrone? Sogar die Kiefer zogen sich mir zusammen.
    »Außerdem ist Len ein miserabler Kämpfer. Zwar fliegt er tadellos und kann jedem Freiflieger entwischen. Aber schließlich tragen wir die Flügel nicht, um unseren Feinden zu entwischen.«
    Heldenhaft setzte ich meine Marter fort, indem ich abermals an dem Saft

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