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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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einen weißen, aber keine Krawatte. »Ich gehe auch in den Club«, erklärte er mir, als er meinen Blick au f fing. »Es gehört sich nicht, nach einem Patrouillenflug nicht in den Club zu gehen. Was ist? Hast du Probleme mit dem Knoten?«
    Er nahm mir diesen absolut lächerlichen Teil meiner Garderobe aus der Hand, ließ sich auf einen Stuhl plumpsen, breitete die Krawatte über seinem Schenkel aus und fing an, sie zu binden. »Kurt bekam den Knoten auch nie hin. Das heißt, er konnte es schon, machte es aber nicht gern. Deshalb hat er immer mich dazu gezwungen.«
    Dieses »gezwungen« gab mir zu denken. »Wart ihr eigentlich Freunde?«
    »Wir beide? Hm, ja, schon. Schließlich waren wir Partner … «
    Ich bohrte nicht weiter nach. Len hatte die Krawattenschlinge vorb e reitet und half mir jetzt, sie über den Kopf zu ziehen.
    Kritisch betrachtete er mich. »Ja, das geht«, meinte er. »Es sieht n a türlich komisch aus, aber das liegt daran, dass du für einen Senior noch reichlich jung bist … « Len stockte und sah mir streng in die A u gen. »Bist du wirklich ein Sen i or, Danka?«, fragte er.
    Für einen Rückzieher war es jetzt zu spät. »Natürlich. Weshalb fragst du?«
    »Lügner werden bei uns nämlich umgebracht.« Er lächelte zaghaft. »Deshalb … ich hatte Angst um dich.«
    Entzückend! Mit einem Mal begriff ich, dass hier trotz der grellen Lampen und des heißen Wassers noch finsterstes Mittelalter herrschte.
    »Bei uns drückt man schon mal ein Auge zu«, brachte ich mit einem Lächeln hervor. »Klar, wenn du beim Lügen erwischt wirst, musst du zusehen, wie du deinen Kopf wieder aus der Schlinge ziehst, aber … «
    »Gehängt werden bei uns nur Verräter«, sagte Len. »Lügner werden mit dem Schwert getötet.« Er blickte zur Seite, zögerte, fügte dann aber doch hinzu: »Und Feiglinge auch.«
    »Behauptet denn jemand, du wärst ein Feigling?«
    »Du hast mich doch zum Partner gewählt«, antwortete Len. »Also hast du dich dafür verbürgt, dass ich kein Feigling bin.«
    Ah ja. »Und das konnte ich tun, weil du für mich gebürgt und mir Schutz versprochen hast«, meinte ich, nachdem ich kurz nachgedacht hatte. »Stimmt ’ s?«
    »Mhm.«
    »Na, großartig. Wenn sich da die Katze nicht in den Schwanz beißt!«
    Len stand da wie ein Häufchen Elend.
    »Sag mal, kommen wir nicht zu spät?«, fragte ich, um das Thema zu wechseln.
    »Ach du wild gewordener Flügel!«, schimpfte Len in einer mir vö l lig unverständlichen Weise. »Jetzt aber los.«
    Wir stürmten aus dem Haus. Len beschrieb mir rasch, wie ich vom Club aus wieder nach Hause kam. Da ich nicht genau verstand, was diese Erklärung sollte, fragte ich nach: »Du bist doch auch im Club. Wieso gehen wir dann nicht zusammen nach Hause?«
    »Ich gehe doch in den Juniorclub«, sagte Len verblüfft. »Dieses Moskau muss eine seltsame Stadt sein, bei euch ist alles ganz anders.«
    »Das stimmt«, bestätigte ich, obwohl ich in meinem Leben noch nie in Moskau gewesen war.
    »Soll ich vielleicht am Eingang auf dich warten?«, schlug Len vor. »Ich könnte ja früher aus dem Juniorclub losgehen … «
    »Nicht nötig, ich finde den Weg schon«, sagte ich tapfer. Je mehr ich von dieser Gesellschaft mitbekam, desto weniger gefiel sie mir. Es herrschte eine Ordnung wie in der Armee, wenn nicht sogar wie im Gefängnis. Dazu noch die ewige Düsternis und die leeren Straßen! Puh!
    »Da ist euer Club!« Len wies mit dem Finger auf ein riesiges G e bäude auf der anderen Straßenseite. Zu dem Haus gehörte ein hoher Turm, sodass es wie eine orientalische Moschee aussah. »Unserer liegt zwei Blocks weiter, in der Straße, die links abgeht. Wie sieht ’ s aus, kommst du allein zurecht?«
    »Klar.«
    »Und ich soll nachher bestimmt nicht auf dich warten?«
    »Hör auf damit, Len!«, fuhr ich ihn an. Sofort gab er klein bei, schüttelte mir verunsichert die Hand und rannte die Straße hinunter. Er hatte es ziemlich eilig, vermutlich kam er bereits gewaltig zu spät.
    Bevor ich das Gebäude betrat, nahm ich die Brille ab und blieb kurz davor stehen, um in der Dunkelheit die Straße hinunterzuspähen. Aus keinem einzigen Fenster fiel auch nur der schwächste Lichtschein, die Umrisse der Häuser erahnte ich nur, sehen konnte ich sie nicht. Ich suchte ich den Himmel rundum nach einem leuchtenden Punkt ab: nach dem Sonnenkater. Aber da war nicht der kleinste Lichtpunkt. Schließlich holte ich tief Luft und stieß die Tür zum Club auf.
    Drinnen sah es genauso

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