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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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halst sich denn freiwillig Arbeit auf? Keine Angst, dieser Typ mit der schwarzen Brille hat uns nicht vergessen. Im Gegenteil, er denkt gerade an nichts anderes als an uns. Gehen wir!«
    Wir hetzten der Karawane hinterher, wobei wir mit aller Gewalt den Wunsch unterdrückten, uns in die Luft zu erheben. Niemand vera b schiedete sich von uns. Len winkte allerdings ein paar Jungen zu und erklärte mir, Iwons Junior stehe mitten in der Menge mit fassungsloser Miene. Wahrscheinlich dachte er an seinen blamierten Senior.
    An den ersten drei Tagen bekamen wir überhaupt nichts zu tun. Die Karawane zuckelte über die Bergpfade, alle paar Stunden machten wir fünfzehn Minuten Pause. Mittags legten wir eine zweistündige Rast ein, außerdem billigte der Händler allen zehn Stunden Schlaf zu. Die Begleitsoldaten, die von Anfang an mit der Karawane unterwegs g e wesen waren, beachteten uns kaum. Sie unterhielten sich nur mitei n ander, sprachen über Bekannte aus der Stadt – vermutlich die Stadt der Händler – und diskutierten darüber, wohin sie als Erstes gehen würden, wenn sie wieder nach Hause kämen. Die Erwachsenen aus unserer Stadt gaben sich schon freundlicher. Die ganze Zeit über s a hen sie mich erstaunt an, denn ich hatte die schwarze Binde nicht a b genommen. Es sprach mich jedoch niemand darauf an.
    Abends wurden die Zelte aufgebaut, die Händler und die Soldaten zogen sich in ihre Zelte zurück, abgesehen natürlich von denen, die Wache hielten. Die Männer aus unserer Stadt schlugen zwar ebenfalls Zelte auf, saßen jedoch die halbe Nacht zusammen in einem, wo sie schweren Wein aus einem Lederschlauch tranken, den der Händler ihnen jeden Abend aushändigte. Ihre Gespräche liefen immer wieder auf dieselben Themen hinaus: Wie toll sie damals hatten fliegen kö n nen, dass sie in ihrer Jugend wussten, was sie wert waren, und dass sie sich, sobald sie genügend Geld zusammenhätten, ein Häuschen an dem sonnigsten Fleckchen bauen würden, das man sich vorstellen kann. Dass sie irgendwann zurückkehren würden – das erwähnte ke i ner von ihnen.
    Len und ich saßen auch bei den Erwachsenen, still und ein wenig abseits, und lauschten ihren Gesprächen. Sie behandelten uns freun d lich, womöglich sogar mit Respekt. Mir wurde erst nach einer Weile klar, dass sich die Erwachsenen ihren eigenen Reim darauf machten, weshalb wir aus der Stadt weggingen. Sie glaubten, wir hätten es satt, gegen die Freiflieger zu kämpfen, und wollten nicht auf das Alter wa r ten, wo man normalerweise mit den Händlern in eine neue Welt au f bricht, sondern schon jetzt unser Glück versuchen.
    Den Sonnenkater versteckten wir nicht vor ihnen. Er tat allerdings so, als wäre er ein ganz normaler Kater, er sprach und flog nicht und ließ sein Licht so schwach wie möglich leuchten. In der Stadt hatte es auch Katzen gegeben, und deshalb verdächtigte niemand unseren K a ter, ein Zauberer zu sein.
    Nachdem wir die Erwachsenen verlassen und uns in unser Zelt b e geben hatten, hielten wir einen kleinen Kriegsrat ab. Im Grunde gab es jedoch nichts, was wir durch Reden klären konnten. Wohin wir gi n gen, wussten wir immer noch nicht. Vor wem wir die Karawane e i gentlich beschützen sollten – auch nicht. Die gesamte Familie des Händlers trug jetzt ständig schwarze Brillen, sodass wir sie nicht mit dem Wahren Blick sondieren konnten. Ich hatte mir die Soldaten mit dem Wahren Blick angesehen, dabei aber nichts bemerkt, was uns weitergeholfen hätte – denn hinter ihrer Fassade gab es absolut nichts zu entdecken. Bisher hatte ich immer gedacht, es sei gut, wenn man sein Wesen nicht versteckt, jetzt verstand ich jedoch: Wenn ein Mensch gar kein Geheimnis in sich trägt, weder ein gutes noch ein schlechtes, wirkt er am Ende wie tot.
    Am dritten Tag passierte dann endlich was. Zuerst wurden die B e gleitsoldaten unruhig. Irgendwann liefen zwei von ihnen weit voraus, kontrollierten alle verdächtigen Punkte entlang des Pfads, während drei andere den Himmel aufmerksam mit Blicken absuchten. Der Händler ging zu den Erwachsenen aus unserer Stadt, sprach mit ihnen und gab anschließend jedem fünf Taler, bei denen es sich um große, runde Scheiben aus einem durchsichtigen Stein handelte, vielleicht Kristall. Die Männer holten ihre Waffen heraus und mischten sich unter die Soldaten der Karawane.
    Dann kam der Händler zu mir.
    »Wird Zeit, dass ihr euer Geld verdient«, erklärte er mir anstelle e i ner Begrüßung.
    »Dann bezahl uns erst«,

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