Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
Waren in eine andere Stadt bringen? Oh nein! Das ist alles für die Freiflieger!«
    Len sagte kein Wort mehr und flog den Pfad ab. Ich folgte ihm. Wir hielten uns tief, nur etwa zwanzig Meter überm Boden, um alle Spa l ten in den Felsen erkennen zu können. Einen Hinterhalt machten wir nicht aus. Mir war das sofort klar geworden, denn mit meinem Wa h ren Blick hätte ich die in Finsternis gehüllten Freiflieger selbst dann entdeckt, wenn sie sich versteckt hätten.
    Als wir aus der Schlucht herauskamen, durch die der Pfad führte, lag vor uns der Sumpf. Genauer gesagt ein Tal, in dem eine dreckige Br ü he stand, von der ein scharfer Geruch aufstieg, den wir sogar oben in der Luft rochen.
    »Da drüben ist der Turm der Freiflieger«, sagte Len und drosselte das Tempo. Wir schwebten nebeneinander. Ich suchte die Gegend vor uns ab – und sah zum ersten Mal in meinem Leben eine Behausung der Freiflieger.
    Mitten im Sumpf lag eine kleine, felsige Insel. Auf ihr erhob sich ein schmaler Turm, der aus dem gleichen grauen Gestein errichtet worden war. Er wirkte gar nicht so düster und dürfte an die vierzig Meter hoch gewesen sein. An der Turmspitze befand sich ringsum eine schmale Plattform, von der aus die Freiflieger vermutlich starteten.
    Langsam flogen wir näher. Der Turm wirkte wie tot. Erst als uns nur noch zwanzig Meter von ihm trennten, entdeckte ich die schmalen Fenster. Vielleicht waren das aber auch Schießscharten. Aus ihnen quoll Finsternis.
    »Lass uns zurückfliegen, Len«, flüsterte ich. Der Anblick des Turms brachte mich halb um den Verstand.
    »Sollen wir denn nicht angreifen?«, fragte Len mit bebender Sti m me.
    »Wozu das? Der Händler will sich doch gar nicht mit denen anlegen, er hat bloß einen Hinterhalt befürchtet.«
    »Aber wir … wir kämpfen doch gegen sie!«
    »Len, die Einnahme von einem einzigen Turm entscheidet nicht ü ber Sieg und Niederlage in diesem Krieg. Wie viele Freiflieger hocken wohl da drin?«
    »Ich weiß nicht. Manchmal leben sie allein, manchmal zu mehr e ren … «
    Von dem Turm ging Kälte aus. Außerdem spürte ich einen Blick, e i nen finsteren Blick voller Hass, der die Nacht durchbohrte. Als ob in einer der Schießscharten die schwarze Brille des Händlers funkeln würde.
    »Fliegen wir zurück!«, schrie ich und machte kehrt. Len schlug mit den Flügeln und stieg höher. Gerade rechtzeitig. Aus der Schießscha r te, in der ich diesen Blick wahrgenommen hatte, pfiff ein kurzer Pfeil heraus. Er hätte Len getroffen, wenn der nicht eben seine Position gewechselt hätte, und segelte dann in den Sumpf.
    Mit einer Höllengeschwindigkeit schossen wir vom Turm weg. Auch Len hatte jetzt offensichtlich genug. Diesmal passte er sogar geschickt einen Luftstrom ab – fast als hätte ihm die Angst den Wa h ren Blick verliehen – und ich holte ihn erst über den Felsen wieder ein. Mit angelegten Flügeln jagten wir über die Schlucht zurück zur Karawane.
    »Wie ich die hasse!«, rief Len mir zu. »Ich hasse sie einfach, Danka! Meinst du, dass sie sterben, wenn wir das Licht wiederhaben?«
    »Ich weiß es nicht«, rief ich zurück. »Vielleicht können sie rechtze i tig abhauen. Vielleicht sterben sie aber auch. In ihnen wohnt die Fin s ternis, deswegen müssen sie das Licht fürchten … «
    Im Gleitflug landeten wir mitten in der Karawane. Ich bemerkte, dass einige der Begleitsoldaten mit ihrer Armbrust auf uns zielten, zumindest so lange, bis sie uns als Flügelträger erkannten.
    Der Händler kam mit raschen Schritten auf uns zu.
    »Die haben aus dem Turm heraus auf uns geschossen!«, fuhr Len ihn an. »Und Sie wollen mit denen Geschäfte machen!«
    »Weshalb seid ihr überhaupt in die Nähe des Turms geflogen?«, wollte der Händler wissen. »Das habe ich nicht von euch verlangt, Jungs. Ihr solltet lediglich den Pfad überprüfen.«
    Len gab klein bei. Flügelträger schienen es mit der Disziplin ja sehr genau zu nehmen.
    »Ich fürchte, damit habt ihr ein großes Probleme heraufbeschw o ren«, fuhr der Händler fort. »Aber gut, das lässt sich jetzt nicht mehr ändern. Du, Junior, wirst auf meine Tochter aufpassen, und du … « Er nickte mir zu. » … auf meine Frau.«
    Diese Aufteilung sollte mir recht sein. Rasch zogen Len und ich uns zurück, damit wir uns nicht noch weitere Kritik einfingen. Len blickte noch einmal wütend zu dem Händler hinüber, der bereits mit den So l daten sprach, knöpfte den Flügeloverall auf und holte den Sonnenkater heraus.
    »Sieh an,

Weitere Kostenlose Bücher