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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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… ich bin überhaupt nicht für den Kampf geschaffen, Danka! Ich habe bloß Krallen und Zähne. Sehr kleine Krallen und Zähne.«
    In einiger Entfernung hatten sich alle Leute aufgebaut, die zu uns e rer Karawane gehörten. Ich sah sie an – und spürte, wie sie unter me i nem Blick erzitterten. Unter dem Wahren Licht, das jetzt in meinen Augen leuchtete.
    »Aber ich habe doch den Wahren Blick!«, erinnerte ich den Kater. »Der muss doch zu etwas gut sein, oder?«
    »Da bin ich mir eben nicht sicher. In deinen Augen wohnt das Wa h re Licht. Du siehst jetzt die besten Seiten, über die ein Mensch ve r fügt. Das hilft dir aber nur dann, wenn in ihm wirklich etwas Gutes lebt. Ich habe jedoch meine Zweifel, dass … In den Augen der Fre i flieger wohnt dagegen die Finsternis. Sie sehen deine Ängste, deine Fehler und deinen Schmerz. Das ist weitaus vorteilhafter, wenn man gegen jemanden kämpft.«
    Und trotzdem hat sich der Freiflieger vor meinem Blick gefürchtet, dachte ich. Aber ich wollte mich jetzt nicht mit dem Kater streiten. Deshalb wandte ich mich wieder an den Händler: »Können Sie Len wirklich freikaufen?«
    »Ich werde denen ein gutes Angebot machen«, versicherte er. »Ganz so, als ob es meine eigene Tochter wäre.«
    Das glaubte ich ihm zwar nicht – aber immerhin gab er mir damit einen Funken Hoffnung.
    Nach einer halben Stunde kamen die Freiflieger zurück. Allerdings nicht alle und auch ohne Schwerter. Sie landeten am Rand des Sumpfs und der Händler ging ganz allein zu ihnen hin. Als ob überhaupt nichts passiert wäre!
    Ich saß rund hundert Meter entfernt und ließ meinen Blick zwischen dem Turm, in dem Len gefangen war, und diesen finsteren Gestalten, die den Händler gerade umringten, schweifen. Log er oder nicht? Konnte er Len wirklich freikaufen?
    Fünf Minuten später winkte der Händler mit der Hand, woraufhin die Soldaten nach und nach von den Tieren abzogen. Die Freiflieger sprangen auf die Büffel zu oder flatterten um sie herum. Sie knüpften die Packsäcke ab und flogen damit weg. Dabei trug jeder von ihnen fünf oder sechs schwere Beutel. Alle Achtung!
    Ohne hinzusehen, fuhr ich mit der Hand über den rauen Stein, auf dem ich saß, tastete nach dem Sonnenkater und schnappte ihn mir, um ihn kurz entschlossen auf meinen Schoß zu setzen. »Was meinst du, sind sie sich einig geworden?«, fragte ich.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete der Kater verlegen. »Nur wenige verstehen, wie der Handel zwischen ihnen abläuft. Aber wir werden es ja gleich wissen … «
    Die Freiflieger, die sich über alle Maße beladen hatten, schafften es nur mit Mühe, zu ihrem Turm zurückzufliegen. Ihnen eilten andere Freiflieger entgegen, die ebenfalls Beutel trugen, welche sie vor dem Händler fallen ließen. Diese Strecke flogen sie mindestens ein Du t zend Mal. Jedes Mal, wenn die beladenen Freiflieger sich uns nähe r ten, beäugte ich sie voller Hoffnung.
    Aber Len brachten sie nicht.
    Erst als die letzten Freiflieger mit den Resten der Ware verschwa n den, marschierte ich zu dem Händler. Er sah zufrieden und heiter aus. Sobald er mich erblickte, machte er jedoch eine ernste Miene.
    »Es hat nicht geklappt, Danka«, erklärte er ohne Umschweife. »Tut mir leid. Sie haben sich geweigert, den Jungen wieder herauszugeben. Wie du bestimmt weißt, vermehren sich Freiflieger nicht so wie Me n schen. Daher stellen Gefangene ihre einzige Möglichkeit dar, ihre Zahl zu vergrößern. Sei nicht traurig. Du kriegst den Lohn für euch beide und außerdem … «
    »Entweder bist du ein gemeiner Dreckskerl oder du lügst!«, fauchte ich leise. »Nimm die Brille ab!«
    Der Händler zögerte.
    »Nimm sie ab! Oder ich bring dich um, das schwöre ich!«
    Seufzend nahm der Händler die Brille ab. »Ich fürchte mich vor di e ser Drohung nicht«, stellte er klar. »Aber ich möchte, dass du dich davon überzeugst, dass ich die Wahrheit gesagt habe.«
    Es ist nicht ganz einfach, einen Menschen mit dem Wahren Blick anzusehen. Das Gesicht verschwimmt dann, nimmt eine andere Form an, kann dir nichts mehr vorspiegeln oder verheimlichen …
    »Du lügst nicht«, stellte ich fest – und zwar erleichtert, was mich selbst wunderte. »Du bist einfach nur ein mieser Typ. Selbst für deine eigene Tochter hättest du nicht mehr geboten als für Len.«
    Der Händler zitterte, als streife ihn kalter Wind. Dann setzte er die Brille wieder auf.
    »Wir packen jetzt die Waren zusammen, die wir von den Freifli e gern bekommen haben,

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