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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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war eine Zelle! Genau wie der Raum nebenan – aus dem Lens Stöhnen zu mir herüberdrang.

3 Die Verwandlung
    Z u dem kleinen Fenster unter der Decke gelangte ich ohne große Mühe. Die Wände waren im Innern aus den gleichen unbehauenen Steinen errichtet wie außen, sodass es das reinste Vergnügen war, an ihnen hochzukraxeln. Allerdings konnte mich das Licht in meinen A u gen verraten – und das Tuch hatte ich weggeworfen.
    Nur gut, dass ich mit meinem Wahren Blick auch bei geschlossenen Augen sehen konnte.
    Ich hielt mich am Gitter fest und spähte in die Nachbarzelle. Alles in mir drin gefror.
    Als Erstes sah ich Len. Er lag auf einem Eisentisch mitten im Zi m mer, ohne seinen Flügeloverall, völlig nackt, nur die Brille hatten sie ihm gelassen. An den Ecken des Tischs ragten irgendwelche Haken heraus, an die Lens Arme und Beine mit Lederriemen gefesselt waren.
    Etwas abseits kauerten zwei Freiflieger auf dem Fußboden. Sie spr a chen leise miteinander.
    »Der, der geleuchtet hat, ist entkommen.«
    »Die Jagd auf ihn ist in vollem Gange.«
    »Woher hat er Wahres Licht? Wer ist er?«
    »Wenn wir ihn fangen, werden wir es wissen. Wenn nicht, soll der Gegenwärtige sich etwas einfallen lassen.«
    »Das ist seine Pflicht.«
    »Richtig. So, wie es unsere Pflicht ist, für Nachwuchs zu sorgen.«
    »Dann lass uns anfangen.«
    Die Freiflieger erhoben sich, gingen rüber zur Wand, wo auf Reg a len kleine Flaschen und Gläser mit trüben Flüssigkeiten standen, wo außerdem Instrumente herumlagen, die fürchterlich aussahen, und wo kleine Schalen und Bleche hingen. Sorgfältig wählten sie ihre Utens i lien aus. Dann kehrten sie zum Tisch zurück.
    Len bäumte sich auf, konnte sich aber natürlich nicht losreißen.
    »Keine Angst«, sagte einer der Freiflieger, dessen Stimme mir b e kannt vorkam. Ach ja, mit dem hatte ich gekämpft! »Wehr dich nicht! Wenn du aus freien Stücken zum Freiflieger werden willst, ist es viel einfacher für dich.«
    »Und es tut nicht so weh«, fügte der zweite Freiflieger hinzu, der auf dem Tisch neben Len zunächst Messer ausbreitete, die klein wie Ska l pelle waren, dann Haken aus Stahl, leere Glasgefäße, zwei kleine Schalen …
    »Ihr Schweine!«, zischte Len. »Ihr dreckigen Schweine! Ich hasse euch!«
    »Aber nicht mehr lange«, versicherte mein einstiger Gegner, wä h rend er weitere Instrumente und Gläser ablud. Nur eine Phiole mit einer undurchdringlichen schwarzen Flüssigkeit behielt er in Händen. »Schon heute Abend wirst du einer von uns sein.«
    »Pah, eure Stunden sind gezählt«, konterte Len. »Danka und der K a ter werden uns die Sonne zurückbringen … «
    Doch als er leise anfing, zu weinen, wusste ich, dass mein Junior nicht mehr mit Hilfe rechnete. Er hatte jede Hoffnung auf Rettung bereits aufgegeben.
    »Die Sonne kommt nicht zurück«, sagte der zweite Freiflieger ganz ruhig. »Unsere Vorfahren haben sie verkauft. Was richtig war. Die Finsternis ist besser.«
    »Möchtest du wissen, was jetzt mit dir passiert?«, fragte der andere.
    »Nein!«, schrie Len, dem immer noch Tränen über die Wangen ku l lerten.
    »Komisch. Dabei warst du doch immer ein neugieriger Junge, Len.«
    Len fuhr zusammen und hörte auf, zu heulen. Er hob den Kopf und versuchte, dem Freiflieger ins Gesicht zu sehen. »Woher kennst du mich?«
    Daraufhin musterte ich den Freiflieger mit dem Wahren Blick – und erkannte ihn.
    »Ich bin Iwon«, antwortete der Freiflieger sachlich. »Jedenfalls hieß ich früher so. Iwon. Ich wollte sogar mal dein Senior werden.«
    Mit aller Kraft zog ich an den Gitterstäben. Die gaben kein Stück nach. Die Freiflieger hatten beim Bau des Turms ganze Arbeit gelei s tet.
    »Du … du … «, setzte Len an.
    »Genau, ich! Dein Senior hat mich in den Bergen ohne Flügel z u rückgelassen. Bin den Freifliegern in die Hände gefallen. Und bin glücklich darüber, dass es so gekommen ist. Hab mir das tief in me i ner Seele immer gewünscht.«
    »Du hast dir das gewünscht? Warum?« Erneut zerrte Len an den Riemen. Aber es war völlig nutzlos.
    »Ich will immer fliegen können. Will die Leichtigkeit des Flugs e r leben. Auch noch als Erwachsener. Willst du wissen, wie ich ein Fre i flieger geworden bin?«
    Len nickte wie hypnotisiert.
    »Sie haben mir die Augen herausgenommen«, berichtete Iwon ung e rührt. »Nicht auf einmal, sondern nach und nach. Damit der Schmerz das Licht der Augen in Finsternis verwandelte. Dann haben sie aus ihnen das Elixier für das Glas der

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