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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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mit kurzem Haar, der eben noch gelangweilt durch die Menge stolziert war, drän g te sich plötzlich entschlossen in meine Richtung. Bis ich dem erklärt haben würde, was Sache war, das konnte dauern!
    Und wie ich da so auf der Schwelle der Verborgenen Tür stand, hi n ter mir der stinkende eiskalte Sumpf, vor mir die warme, stickige Luft der Großstadt, begriff ich mit einem Mal, dass ich niemandem etwas erklären würde.
    Klar hatte ich Heimweh. Vielleicht war ich auch ein Feigling – dann aber höchstens ein kleiner. Doch ein Arschloch war ich mit Sicherheit nicht!
    Ein letztes Mal ließ ich den Blick über den Roten Platz schweifen und starrte auf ein großes Kaufhaus gegenüber und auf die alten Pfla s tersteine unter mir. Dann trat ich einen Schritt zurück. Die Verborgene Tür schlug zu, als hätte sie nur auf diese Entscheidung gewartet.
    »Sollen die Leute doch denken, sie hätten eine Halluzination g e habt«, sagte ich zu mir selbst, während ich zuschaute, wie die Holztür langsam unter Steinen verschwand. »Vielleicht komme ich ja später noch mal her … «
    Aber ein Gefühl sagte mir, dass ich diese Tür nie wieder öffnen würde.
    Auf watteweichen Beinen, die mir fast wegknickten, umrundete ich den Turm der Freiflieger.
    Türen gab es hier keine. Überhaupt keine. Weder richtige noch ve r borgene. Wozu auch? Den Freifliegern genügte ja die Plattform oben an der Spitze!
    Aber es gab ja noch die Fenster! Für einen Erwachsenen waren sie zu schmal. Für mich jedoch nicht!
    Eines der Fenster lag ziemlich weit unten, etwa auf der Höhe meines Kopfes. Ich schaute hinein – und prallte zurück.
    Düsternis. Dichte, schwarze und undurchdringliche Düsternis. Erst nach ein paar Sekunden begriff ich, dass in das Fenster Glas eingesetzt war, genau wie bei der Brille des Händlers. Ich schlug mit der Faust dagegen, was jedoch überhaupt nichts brachte. Daraufhin holte ich mein Schwert heraus und stieß mit der Klinge ein paar Mal gegen die Scheibe.
    Irgendwann nahm ich den Griff des Schwerts.
    Nichts! So leicht war die Dunkelheit nicht zu zerschlagen.
    Ich stand am Fuß des Turms und wusste ganz genau, dass mir die Zeit davonlief. Entweder würde ich jetzt in den Turm vordringen – oder ich würde hier niemanden mehr retten.
    Ich sah auf das Fenster, und ein mit Angst vermischter Hass kochte in mir hoch. Diese Scheibe sollte jetzt endlich kaputtgehen! Ich mus s te sie zerschlagen! Und das würde ich auch schaffen!
    Das schwarze Glas, das das schmale Fenster ausfüllte, erzitterte. Als ob mein Blick stärker wäre als meine Faust oder mein Schwert. No r malerweise hätte ich mich darüber gewundert – und damit wah r scheinlich alles verpatzt! Aber im Moment wunderte mich gar nichts. Ich starrte auf das schwarze Glas, das sich unter meinem Blick krümmte und bog, bis die Scheibe ein leises Knacken von sich gab und zersplitterte und in Tausenden von winzigen Scherben herausflog.
    Und jetzt blieb mir keine Zeit mehr, mich zu wundern. Rasch reckte ich mich, zog mich hoch und zwängte mich durch das Fenster in den Turm.
    Ich landete in einem kleinen Raum. An der Wand steckte in einer Halterung eine Fackel, die mit einer purpurroten, fast schwarzen Flamme brannte. Ich spürte, wie ein eisiger Atem von der Fackel au s ging und über meine Haut strich.
    Ansonsten gab es in diesem Zimmer nichts und niemanden. Eine Tür führte hinaus, direkt unter der Decke befand sich ein winziges, vergi t tertes Fenster, das in das Innere des Turms ging. Vermutlich diente es der Lüftung.
    Wo war Len? Wahrscheinlich oben im Turm. Ich stieß gegen die Tür, doch die gab nicht nach.
    Sollte ich sie zerschlagen? Würde mir das gelingen? Immerhin b e stand diese Tür bloß aus Holz, nicht aus dem Glas der Finsternis … Ich blickte zu den Scherben des Fensters hinüber – und nun wunderte ich mich doch noch: Das waren ja ganz normale Scherben! An einigen klebte allerdings eine dunkelrote oder schwarze Flüssigkeit – wo auch immer die herstammen mochte.
    Ich weiß nicht, was ich unternommen hätte, wenn es in diesem Raum nicht so totenstill gewesen wäre. Diese Grabesstille herrschte im ganzen Turm, nur durch das Fenster wehte leise der Wind. Und plötzlich hörte ich, wie jemand stöhnte, ganz leise nur. Das Geräusch kam durch das vergitterte Fenster unter der Decke.
    Wie konnte ich nur so dämlich sein! Natürlich schloss man Flüge l träger nicht oben im Turm ein, die wurden tief unten eingesperrt. Der Raum, in dem ich stand,

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