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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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beladen die Tiere und ziehen weiter«, info r mierte er mich. »Wirst du meine Anweisungen befolgen?«
    »Ich werde euch helfen zu packen«, erklärte ich. Hinter mir maunzte der Kater verwundert.
    Die Stimmung des Händlers besserte sich prompt. »Du bist ein sel t samer Junge. Ein sehr seltsamer. Aber ich bin froh, dass du diesen Schicksalsschlag wie ein Mann hinnimmst und … «
    »Ich werde euch helfen zu packen und die Karawane bis zur Schlucht begleiten«, unterbrach ich ihn. »Dann mache ich kehrt und suche Len. Wenn ich ihn nicht retten kann, komme ich zurück. Ich hole die Karawane wieder ein und bringe dich um. Oder glaubst du etwa, das könnte ich nicht?«
    »Ich werde mit dir mitfliegen«, sagte der Sonnenkater, als der Lärm der abziehenden Karawane kaum noch zu hören war. »Schließlich trage ich letztendlich die Schuld an dem Desaster. Darüber hinaus stehen mir Zauberkräfte zur Verfügung … «
    »Und obendrein zwanzig Krallen, vier kleine Eckzähne und noch ein paar andere winzige Zähnchen.«
    »Führst du Buch darüber, oder wie?«, konterte der Kater beleidigt – und verstummte dann. Vermutlich hatte er begriffen, dass dies nicht der Zeitpunkt war, um eingeschnappt zu sein.
    Wie immer, wenn er verlegen war, fing er an, sich zu putzen.
    »Ich schlage Folgendes vor, Danka«, sagte er schließlich. »Ich fliege von einer Seite an den Turm heran und lenke die Freiflieger ab. Du versuchst derweil, heimlich in den Turm einzudringen und Len zu befreien.«
    »Na gut«, meinte ich missmutig, denn mir fiel auch nichts Besseres ein. »Versuchen wir ’ s.«
    Wir hockten in der Schlucht, wo die Freiflieger uns nicht erspähen konnten. Vermutlich rechneten sie auch gar nicht damit, dass jemand auf die Idee kommen könnte, ihren Turm anzugreifen.
    Ich breitete meine neuen Flügel aus und musterte sie eindringlich. Ich trug einen neuen Overall, denn den anderen, den der Freiflieger ramponiert hatte, hatte ich wegwerfen müssen. Ein weiterer Flüge l overall war fest verschnürt und an meinem Gürtel befestigt. Für Len.
    »Viel Glück, Danka«, sagte der Sonnenkater.
    »Dir auch«, erwiderte ich.
    Ich hielt mich sehr tief über den Bergen und flog einen Bogen ums Tal. Nachdem ich eine günstige Felsspalte ausgemacht hatte, verstec k te ich mich dort und lugte zum Turm hinüber. Er stand mitten im Sumpf – wie eine schwarze Kerze auf einer Torte aus Scheiße. Aus den Fenstern quoll Finsternis. Selbst auf die Entfernung konnte ich sie spüren.
    Außerdem spürte ich noch, dass Len da drinnen war.
    Als der Sonnenkater wie ein kleiner leuchtender Funken aus der Schlucht schoss und auf den Turm zusauste und dabei immer schneller wurde, war das mein Zeichen, in Aktion zu treten. Mit gespannten Flügeln sprang ich vom Felsen, passte eine Strömung ab und ließ mich von ihr tragen. Komisch, dass ich vor Kurzem noch an Höhenangst gelitten hatte. Zu fliegen, das kam mir jetzt so natürlich vor …
    Ich landete am Fuß des Turms, legte die Flügel an und spähte nach oben. Der Kater kreiste um die Spitze wie eine Motte um eine Lampe. Hoffentlich würden die Freiflieger wirklich nur Augen für ihn haben und mich nicht bemerken … Mit dem Wahren Blick untersuchte ich die Steine, aus denen der Turm errichtet worden war, und versuchte, eine Tür zu entdecken. Das gelang mir auch. Es handelte sich um eine Holztür, die aus groben Brettern bestand. Warum war sie mir nicht gleich aufgefallen?
    Ich griff nach der Klinke – einem grob behauenen Holzklotz – und zog die Tür zu mir. Sofort blendete mich Licht!
    Aber Wahres Licht war das bestimmt nicht! Es setzte sich zusa m men aus grauer Abenddämmerung, grellen Laternen, den Dolchspi t zen hell erleuchteter Fenster, den … ! Autsch! Mit dem Wahren Blick in elektrische Lampen zu starren tat verdammt weh!
    Ich hatte eine Verborgene Tür erwischt! Und zwar die zweite von den drei Türen, die zur Erde führten. Ich stand an der Schwelle, vor mir lag ein Platz. Dieser wiederum war alt und kopfsteingepflastert, dort gingen Menschen spazieren, Glocken läuteten irgendeine Aben d stunde. Jeder Erstklässler in meinem Land hätte diese Melodie und den Roten Platz erkannt – selbst wenn er wie ich noch nie in Moskau gewesen war.
    In unserer Welt befand sich die Verborgene Tür ebenfalls in einem Turm. Einige der Spaziergänger drehten sich schon verwundert nach mir um: Was war denn das für ein Junge, mit dem seltsamen schwa r zen Overall und den funkelnden Augen? Ein Milizionär

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