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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Ziegeln gerettet hatte, stürmte ich in die Nachbarzelle.
    Iwon hielt dem zitternden Len gerade den Mund auf und flößte ihm – unbeirrt von der einstürzenden Wand – eine dampfende, schwarze Flüssigkeit ein. Der zweite Freiflieger wählte einige Haken und Me s ser aus den Schalen. Als ich plötzlich vor ihnen auftauchte, erstarrten die beiden.
    »Ihr Schweine!«, schrie ich und zog mein Schwert. Ohne eine S e kunde zu zögern, schlug ich auf den Freiflieger ein, der mir am näch s ten stand, und brach ihm das Genick.
    Das ging so leicht, es war, als ob ich nicht Fleisch zerhackte, so n dern morsches Holz. Der Freiflieger fiel polternd zu Boden, wobei stinkender Dampf aufstieg. Als er aufschlug, war er bereits kein Mensch mehr – nicht mal ein ehemaliger –, sondern bloß noch schwarzes Gestein.
    Lautlos huschte Iwon zur Tür. Die Phiole mit dem Schwarzen Feuer hielt er immer noch in den Händen. Er riss die Tür auf und hob den Arm, als wolle er sie auf mich schleudern.
    Unsere Blicke kreuzten sich. Iwon schrie auf, genau wie beim let z ten Mal, ließ die Flasche fallen und schlüpfte zur Tür hinaus. Klirrend zerbrach die Phiole. Auf der Schwelle züngelte eine Flamme in tief s tem Purpurrot auf.
    »Len!«, flüsterte ich, als ich mich über meinen Junior beugte. »Len, ich bin da!«
    Len warf den Kopf von einer Seite auf die andere und spuckte wie wild. Er trug ja keine Brille mehr und sah deshalb nicht, was um ihn herum passierte. Aber als ich ihn ansprach, blieb er reglos liegen. »Lauf weg, Danka … «, brachte er mit schwacher Stimme hervor.
    »Wir fliehen zusammen!«, rief ich, während ich mit meinem Schwert seine Fesseln durchsäbelte. »Ich habe dir einen Flügeloverall mitgebracht. Bist du okay?«
    Statt zu antworten, beugte Len sich über den Tisch und kotzte eine schwarze, dampfende Flüssigkeit aus. Danach stützte er sich auf me i nen Arm, tastete unsicher mit den Füßen über den Boden und kletterte vom Tisch. »Hier sind zwei Freiflieger, Danka … «, warnte er mich.
    »Hier sind eine Leiche und ein fliehender Feigling, aber keine Fre i flieger. Zieh den Overall an!«
    Ich half Len mit dem Flügeloverall und schob ihn zu der eingeriss e nen Mauer. Dort drehte ich mich noch einmal um, sammelte einen Stein vom Boden auf und schleuderte ihn auf die Regale mit all den Gefäßen.
    Die Zelle verwandelte sich in eine Feuerhölle. Die wütenden, fast schwarzen Flammen kletterten die Wände hoch, die Steine schmolzen wie Wachs.
    »Weg hier!«, schrie ich, während ich Len half, sich durch das Fen s ter zu zwängen. Ich eilte ihm nach und landete im Dreck. Len kniete da und kotzte wieder.
    »Kannst du fliegen?«, fragte ich.
    »Ich werde es versuchen«, versprach er matt.
    Der Turm schwankte bereits. Durch die Mauerrisse schlugen schwarze Flammenzungen. Feuerströme flossen aufwärts und hüllten die Spitze des Turms in einen Funkenregen.
    »Steh auf, Len! Wir müssen fliegen!«, schrie ich. »Fliegen, Junior!«
    Len versuchte aufzustehen, fiel aber wieder hin. Wir durften keine Zeit verlieren. Ich packte ihn bei den Schultern, zog ihn hoch …
    »Halte dich an mir fest!«
    »Mit einer Last … kannst du nicht fliegen … «, hauchte Len kaum verständlich. Trotzdem legte er die Arme um mich und ließ alles mit sich geschehen.
    Ich breitete die Flügel aus und riss mich, wenn auch mühevoll, vom Boden los. Im Flug gewann ich langsam an Höhe. Ein Aufwind hätte uns über den Turm gehoben, aber den passte ich nicht ab. Stattdessen flogen wir tief über dem Sumpf zurück.
    »Versuch jetzt selbst zu fliegen, Len«, keuchte ich. »Len!«
    »Ja, gleich«, antwortete er leise. Aber er machte keine Anstalten, aus eigener Kraft zu fliegen.
    Hinter uns stürzte der Turm donnernd in sich zusammen. Als ich spürte, wie mir die Druckwelle in den Rücken schlug, blickte ich z u rück. Über den lodernden Ruinen kreisten drei Freiflieger. Die and e ren hatten es offenbar nicht geschafft, sich in Sicherheit zu bringen. Die drei Überlebenden schienen allerdings keine Lust zu haben, uns zu verfolgen.
    »Halte durch, Len«, sagte ich. »Gib nicht auf. Wir müssen nur bis zu dem Felsen da drüben …«
    » Ich gebe nicht auf«, versicherte Len.
    Der Kater fand uns, zwanzig Minuten nachdem wir uns in den Be r gen versteckt hatten. Ich fragte ihn gar nicht erst, wie er den Freifli e gern entkommen war. Wir mussten an wichtigere Dinge denken.
    Len lag auf den Steinen, die Beine an den Bauch gezogen, und stöhnte leise

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