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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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»Imbiss« in dieser Bilderbuchlandschaft mit ihren Segelschiffen klang, musste ich unwillkürlich grinsen. »Ich me i ne natürlich eine Taverne.«
    Eine Taverne fanden wir erst nach einer geschlagenen halben Stu n de, als wir nämlich auf die Idee kamen, nicht länger die Uferpromen a de hinunterzumarschieren, wo uns die wenigen Leute – keine Händler, sondern Wachmänner und Matrosen – sowieso nur neugierig anstar r ten, und stattdessen aufs Stadtzentrum zusteuerten. Das Ding hieß dann auch nicht Taverne – und erst recht nicht Imbiss –, sondern schlicht und ergreifend »Gasthaus«. Aus der halb offenen Tür strö m ten uns wirklich leckere Düfte entgegen. Der Sonnenkater, der in Lens Ausschnitt geschlafen hatte, schob seinen Kopf heraus, schnupperte und schnurrte zufrieden.
    »Denkt daran, euch um eine Übernachtungsmöglichkeit zu kü m mern«, ermahnte uns der Kater, als er wieder im Flügeloverall ve r schwand. »Und für mich bestellt Milch!«
    Ich war davon überzeugt, gleich etwas zu sehen, das einer Taverne aus einem Piratenfilm entsprach – aber da sollte ich mich irren.
    Die Gaststätte war winzig klein, ein einfacher Raum mit fünf oder sechs kleinen Tischen und einem Bambusvorhang, der die Küche a b trennte. An den beiden Tischen in unserer Nähe saßen Wachmänner, die selbstvergessen Buletten mit Reis aßen. An einem anderen saßen zwei Händler in Jeans und tranken Wein aus hohen Kelchen. Die Gä s te schielten zu uns rüber, wenn auch nicht allzu unangenehm. Wir nahmen an einem freien Tisch Platz. Erstaunt stellte ich fest, dass die Händlerstadt anfing, mir zu gefallen.
    »Wie geht ’ s jetzt weiter?«, flüsterte Len.
    »Woher soll ich das wissen? Warten wir erst mal ab.«
    Len schluckte seine Spucke hinunter und nickte widerwillig. »Gut. Nur würde ich halt gern was essen … «
    So saßen wir also da, schauten einander an und taten so, als ob wir nicht gleich vor Hunger sterben würden. Zum Glück brauchten wir nicht lange zu warten. Einer der Händler legte einen Kristalltaler auf den Tisch, stand auf und ging zum Ausgang, während der andere mit finsterer Miene seinen Wein austrank. Vor dem Bambusvorhang sagte der erste Händler jedoch laut und deutlich: »Herrin, es gibt Kun d schaft!«
    Daraufhin wurde Len sofort ganz aufgeregt und sogar der Kater ließ sich wieder blicken.
    Raschelnd teilte sich der Vorhang und es erschien eine junge Frau von etwa zwanzig Jahren. Sie sah gut aus, selbst mit dem rotblonden Haar. Für mich gab es keinen Zweifel: Sie musste die Tochter eines Händlers sein.
    »Flügelträger«, stellte sie in einer Mischung aus Staunen und Freude fest. »Was darf ’ s sein?«
    »Für mich bitte Milch«, mischte sich der Kater ins Gespräch. »Die Jungen bräuchten jedoch etwas Handfesteres. Das überlasse ich ganz Ihnen, Lady.«
    In den nächsten Sekunden huschte der Blick der »Lady« zwischen dem Kater, Len und mir hin und her, als versuche sie herauszufinden, wer von uns beiden der Bauchredner sei. »Für wen ist die Milch?«, fragte sie schließlich.
    »Für mich natürlich«, versicherte der Kater freundlich. »Sahne ginge freilich auch.«
    Die Frau schrie auf. »Du kannst sprechen?«
    »Man muss ja wohl seine Zunge zum Einsatz bringen, da man uns hier andernfalls nicht zu bewirten gedenkt«, erklärte der Kater von oben herab.
    »Wird sofort … « Als die junge Frau in die Küche fegte, hätte sie sich beinah im Vorhang verheddert.
    »Was sollte das?«, zischte ich.
    »Ach, stehen uns etwa unbegrenzte finanzielle Mittel zur Verf ü gung?«, fragte der Kater zurück.
    »Also … nicht wirklich.«
    »Dann lass mich nur machen. Derart erstaunliche Gäste wie uns wird man nicht schröpfen wollen.«
    Kurz darauf mümmelten Len und ich bereits unsere Buletten, wobei ich den starken Verdacht hatte, dass sie eher aus Fisch als aus Fleisch bestanden. Der Kater schleckte inzwischen genüsslich seine Sahne. Die Wachmänner glotzten uns an und vergaßen darüber völlig ihr E s sen. Auch zwei Mädchen lugten durch den Bambusvorhang aus der Küche zu uns rüber. Da uns der Appetit unter diesen neugierigen Bl i cken fast verging, hängte uns der Kater prompt ab. Kaum hatte er das letzte Tröpfchen Sahne verputzt, linste er auf meinen Teller. »Meiner Ansicht nach bewältigst du die zweite Frikadelle nicht«, sagte er nachdenklich.
    »Dann hilf mir«, bot ich sofort an und schnitt die Hälfte davon für ihn ab. Len spendierte ebenfalls eine Hälfte.
    Einer der

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