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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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erwiderte ich. Dem Sonnenkater wünschte ich noch extra, wie es sich gehört: »Einen strahlenden Sonnenaufgang.«
    Ich wachte davon auf, dass der Kater an meinem Ohrläppchen kna b berte und mir den Mund mit der Pfote zuhielt. Da ich nicht begriff, was das sollte, hätte ich ihn beinah auf den Fußboden gepfeffert. »Pst, Danka!«, flüsterte der Kater in dem Moment. »Steh auf.«
    Ich stand auf. Der Kater hing schwach leuchtend in der Luft.
    »Was ist?«, fragte ich verdattert und immer noch im Halbschlaf.
    »Sieh dir mal deinen Junior an … «
    Endlich dämmerte mir, dass etwas passiert sein musste, und ich drehte mich zu dem Bett um, in dem Len schlief. Sofort erstarrte ich. Da lag nicht Len. Da lag jemand, der ihm sehr ähnlich sah, dessen Gesicht jedoch so böse und verkniffen war, dass mich der pure Horror packte.
    »Das ist die Finsternis«, flüsterte der Kater mir ins Ohr. »Das Schwarze Feuer brennt in ihm, Danka. Wenn Len nicht schläft, ist er stärker als die Finsternis. Aber sie lauert in ihm … «
    Der Händler fiel mir wieder ein, der die Finsternis in ihm durch se i ne schwarze Brille bemerkt haben wollte. Hilflos sah ich den Kater an. »Was können wir denn für ihn tun?«
    »Wir? Ihn wecken oder ihn mit Wahrem Licht bestrahlen … oder einfach Mitleid mit ihm haben. Dennoch wird die Finsternis in ihm wachsen. Wir müssen viel, sehr viel Wahres Licht finden, um die Finsternis in Len bis aufs letzte Fünkchen auszubrennen.«
    »Wie viel?«
    » Sehr viel, Danka. Aber frag mich nicht, wie viel genau und woher wir es nehmen sollen. Das ist mir selbst völlig unklar. Schließlich bin ich … «
    » … noch klein, die Leier kenne ich schon«, unterbrach ich den K a ter. Ich setzte mich neben Len aufs Bett und griff vorsichtig nach se i ner Hand.
    Schon in der nächsten Minute entspannte sich Lens Gesicht. Es sah wieder aus wie immer, nur auf der Stirn schimmerten ein paar Schweißperlen.
    »Vielleicht ist alles halb so schlimm«, sagte der Kater seufzend. »Leg dich hin und schlaf noch ein wenig. Ich halte die Finsternis in ihm in Schach.«
    Mit diesen Worten machte er es sich auf Lens Brust bequem, fing leise an zu schnurren und beachtete mich nicht weiter.
    Also ging ich wieder ins Bett, selbst wenn ich nicht mehr einschl a fen konnte. Ich lag da, starrte an die Holzdecke, auf die Ritzen zw i schen den Brettern, und wartete, bis auf der Straße die ersten Schritte der Leute zu hören waren und das Licht der Laternen heller wurde, um den neuen Tag anzuzeigen.
    Irgendwann wachte Len auf und bemerkte den Kater auf seiner Brust. »Hat Danka dich im Schlaf getreten?«, fragte er ihn lachend.
    »Und wie!«, log der Kater dreist. »Zukünftig schlafe ich lieber bei dir, du bist friedlicher.«

5 Das Schwert
    B ad und Klo lagen am Ende des Gangs, jeweils eines für alle Zi m mer. Wie in einer Gemeinschaftswohnung. Zum Glück schien außer uns niemand im Gasthaus zu wohnen. Als wir nach unten gingen, i m mer noch verschlafen und mit feuchten Haaren nach dem Duschen, brach das vielstimmige Gemurmel sofort ab.
    An jedem Tisch saßen rund zehn Leute. Die meisten tranken Wein und aßen gebratenen Fisch dazu. Natürlich verstand ich von solchen Dingen noch nichts, aber ich fand, dass diese Kombination als Früh s tück nicht gerade üblich war. Es waren Wachmänner und Händler und alle glotzten uns unverhohlen an. Sie waren bestimmt gekommen, um den sprechenden Kater zu erleben. Wir stapften zu dem einzigen noch freien Tisch – der offenbar für uns reserviert war – und setzten uns, wobei wir versuchten, niemanden anzusehen.
    In absoluter Stille brachte Magda uns Bratfisch mit Gemüse, eine Schale mit Sahne für den Kater und je ein Glas Wein für Len und mich.
    »Vielen Dank«, brachte ich verlegen hervor. Der Kater schwieg.
    Magda schwirrte hin und her und servierte den Gästen Wein. Wir aßen in aller Eile und träumten nur von einem: hier wegzukommen. Der Kater schlürfte seine Sahne – und schwieg.
    Magda musterte ihn ungeduldig.
    Erst als der Kater sich über den Fisch hermachte, durchbrach er die Stille. »Etwas zu lange gebraten … «, verkündete er klar und deutlich.
    Ein lautes Raunen ging durch die Gäste. Danach herrschte wieder Stille, nur durchbrochen vom Gluckern des Weins, den die Gäste sich eiligst eingossen.
    Len schielte zu mir herüber. »Was ist, sollen wir den mal probi e ren?«, flüsterte er.
    Ich nippte vorsichtig an dem Wein und schüttelte den Kopf. Er war sauer – und

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