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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Finsternis die Straßenlaternen funkelten, die Fenster mit ihrem warmen Licht schimmerten und die Lampen auf den Jachten blinkten. Das Meer reflektierte die ganze Lichterpracht und verwandelte sie in ein weiches, buntes Tuch, das glitzernd auf den Wellen wogte.
    »Wow!«, rief Len begeistert. »Klasse!«
    In dem Moment wurde mir klar, dass er noch nie einen Sternenhi m mel gesehen hatte oder eine hell erleuchtete Straße. Die Finsternis hatte ihn gezwungen, eine Brille zu tragen und sich mit der Dunkelheit abzufinden. Diese konnte alle r dings auch schön sein – falls sich Licht in ihr versteckte.
    »Warum sieht es bei uns nicht so aus?«, seufzte Len. »Warum nicht?«
    Im Ausschnitt seines Overalls tauchte nun der Sonnenkater auf. »Weil ihr die Finsternis fürchtet«, mauzte er in belehrendem Ton.
    »Aber das muss doch so sein! Und was regst du dich überhaupt auf – wo du doch selbst aus Licht bist!«
    »Weil das Licht die Dunkelheit braucht«, antwortete der Kater my s teriös. »Ihr dummen, dummen Jungen, wann begreift ihr endlich, g e gen wen ihr zu kämpfen habt … «
    Daraufhin verschwand er wieder in Lens Ausschnitt.
    »Kein Grund, mich zu kratzen«, blaffte Len beleidigt. »Was meinst du, Danka, erreichen wir die Stadt heute noch?«
    Schön wär ’ s ja, überlegte ich und hielt nach Gabor Ausschau. Der heizte gerade den Soldaten ein, die sich daraufhin vom Anblick der Stadt losrissen und die verträumten Büffel weiterscheuchten.
    »Gabor … «, setzte ich an.
    Der Händler schmunzelte und winkte mit der Hand ab. »Keine So r ge, ihr braucht nicht die ganze Nacht mit uns zu verplempern«, sagte er grinsend. »Nehmt eure Sachen und verschwindet!«
    Einen kurzen Moment glaubte ich, der Händler würde wieder in se i nen Taschen kramen und mir noch ein paar Münzen geben. Ehrlich gesagt, hätte ich es ihm nicht krumm genommen.
    Aber Gabor verzichtete auf jede Gefühlsduselei. »Fliegt schon los«, forderte er mich noch einmal auf.
    Von ihm verabschiedete ich mich nicht. Seiner Frau winkte ich j e doch zu – schließlich hatten wir Seite an Seite gekämpft –, bevor ich an den Rand der Schlucht trat und die Flügel ausbreitete. Neben mir hüpfte Len ungeduldig von einem Bein aufs andere. »Kann ’ s endlich losgehen?«, fragte er.
    »Ja«, sagte ich. »Wer ist als Erster bei … «
    Die Dunkelheit, in der die Lichter der Händlerstadt schimmerten, umhüllte uns sanft. Diesmal benutzte ich beim Fliegen nicht den Wa h ren Blick, denn der hätte die Nacht kaputt gemacht – die mir zum er s ten Mal so wahr und so gut vorkam wie zu Hause. Natürlich gewann Len unseren Wettflug. Er kreiste bereits über dem Stadtzentrum, als ich die Peripherie erreichte. Unter mir lagen ein- und zweistöckige Häuser, gedrungene und solide Bauten, in denen die Händler nicht nur lebten, sondern auch ihre Waren aufbewahrten. Die Menschen, die durch die Straßen spazierten, verdrehten den Kopf und schauten mir nach.
    »Du lahme Ente!«, rief mir Len begeistert zu. »Dich hab ich aber abgehängt! Sind deine Flügel eingerostet?«
    Das vermieste mir jedoch nicht die Stimmung.
    »Lass uns auf dem Platz landen«, bat Len, als ich aufschloss. »Da gibt es Buden … Ich habe einen Wahnsinnshunger!«
    »Wir landen besser im Hafen«, schlug ich vor. Sofort willigte Len ein. Bestimmt reizten ihn die Schiffe ebenfalls, denn wahrscheinlich hatte er noch nie welche zu Gesicht bekommen. Ich wusste immerhin aus Filmen, was Sege l jachten waren.
    So spreizten wir die Flügel und gingen am Hafen tiefer.
    Die Hafenpromenade war kopfsteingepflastert. So gleichmäßig und glatt abgeschliffen, wie das Pflaster war, mussten hier schon unzählige Menschen gegangen sein. Bei der Landung rutschte Len prompt aus. Als er sich hochrappelte, rieb er sich fluchend ein Bein. Ich legte die Flügel an und sah mich um.
    Auf der einen Seite erhoben sich graue Lagerhallen, auf der anderen schaukelten Schiffe auf dem Wasser. Uns blieb jedoch keine Zeit, sie näher anzusehen, denn drei Männer kamen mit schnellen Schritten auf uns zu.
    Sie trugen komische Kleidung: lange Wollpullover, die fast bis zu den Knien reichten und unter denen kanariengelbe Hosen hervorlu g ten. Über den Pullover hatten sie ein ledernes Schultergehänge g e schnallt, an dem ein kurzes Schwert baumelte. In mir spannte sich alles an.
    »Len«, warnte ich meinen Junior leise. »Achtung!«
    Len hörte sofort auf, über die missglückte Landung zu grummeln. Schulter an Schulter bauten wir

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