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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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mit was für einem?« Der Mann fuchtelte theatralisch mit der Hand. »Mit einem kleinen oder einem großen, für zu Hause oder für die Reise, einem runden oder einem quadratischen, einem neuen oder einem alten, gerahmt oder ungerahmt, mit Edelsteinen besetzt oder … «
    Inzwischen hatte sich der Sonnenkater vor einen kleinen, runden Spiegel in einem schlichten Holzrahmen gehockt und angefangen, sich zu putzen.
    »Ach, etwas ganz Einfaches«, sagte ich erleichtert. »Der da zum Beispiel würde absolut genügen.«
    Der Händler drehte sich um und starrte den Kater an. »Woher kommt dieses Viech?«
    Empört stellte der Kater die Putzerei ein und machte einen Buckel.
    »Der gehört zu uns«, erklärte ich. »Keine Sorge, er wird nichts k a putt machen.«
    »Wenn er etwas kaputt macht, werdet ihr es bezahlen«, erklärte der Mann unerschüttert. »Diesen also … «
    Er nahm den Spiegel so behutsam von der Wand, als wäre es eine Kristallvase.
    »Bei diesem Spiegel handelt es sich um die Arbeit eines alten Mei s ters. Er ist so alt, dass ich ihn nicht verkaufen möchte. Selbst zwanzig Taler wären nicht genug … «
    »Gehen wir!« Ich zog Len am Arm fort.
    »Wartet!«, rief der Verkäufer nervös. »Vielleicht finden wir ja einen Kompromiss!«
    Eine Viertelstunde später waren wir um drei Taler ärmer, hielten j e doch den eingewickelten Spiegel in Händen und verließen den Laden.
    »Aber eigentlich hat er uns doch übers Ohr gehauen, oder?«, meinte Len.
    »Er glaubt, uns übers Ohr gehauen zu haben«, entgegnete der Kater vergnügt. »Im Grunde hat jedoch er das Nachsehen – und zwar gewa l tig.«
    »Das ist ein Wahrer Spiegel, stimmt ’ s?«, fragte ich.
    »Stimmt«, bestätigte der Kater. »Meine Hochachtung, Danka.«
    »Ich weiß sogar noch mehr«, sagte ich mit einem Augenzwinkern. »Ich weiß, wofür wir den brauchen. Wir machen noch einen Kater! Damit du einen Freund hast. Nicht wahr?«
    Der Kater, der bis eben friedlich in Lens Armen gelegen hatte, sprang runter auf die Straße. »Was?«, kreischte er los. »Du Dum m kopf! Sonnenkater macht man doch nicht einfach so! Und wozu bräuchtet ihr noch einen? Reiche ich euch nicht mehr?«
    »Tut mir leid, es war nur Spaß«, stammelte ich. »Aber wozu willst du dann … «
    »Wenn dieser Hohlkopf von Verkäufer keine Ahnung hatte, was für einen Spiegel er da anbot«, schimpfte der Kater weiter, »dann ist es sein Pech! Jetzt brauchen wir jedenfalls noch eine Waffe. Eine gute Waffe. Um die Freiflieger zu besiegen. Und eine gute Waffe kaufst du nicht für zehn Taler. Du dummer, dummer Junge … «
    Er fing an, sich nervös zu putzen.
    »Tut mir leid«, wiederholte ich.
    »Wenn du so ein Schlaukopf bist, dann blick doch mal in den Spi e gel«, schlug der Kater plötzlich vor. »Willst du?«
    Verwirrt sah ich auf das Paket in meinen Händen. Hineinsehen? Und … mein eigenes Wesen erkennen?
    »Nein«, antwortete ich leise. »Nein, das will ich nicht.«
    »Eine kluge Entscheidung«, urteilte der Kater, der seine Empörung wieder im Griff hatte. »Es würde dir nicht gefallen, das kann ich dir versichern.«
    Die Fußgänger verfolgten mit neugierigen Blicken die seltsame Sz e ne: zwei Flügelträger, die vor einem Kater standen. Aber bestimmt sah es so aus, als ob es Len und ich waren, die sich miteinander unterhie l ten.
    »Gehen wir weiter!«, sagte der Kater nach einer Weile. »Und haltet die Augen offen! Nach einem Schaufenster mit Waffen.«
    Wir mussten lange suchen. Anscheinend erfreuten sich Waffen ke i ner sonderlichen Beliebtheit, und sicher kam es nicht oft vor, dass Gäste wie wir in der Stadt der Händler auftauchten. Irgendwann b e merkte Len eine Tür, über der ein Schild mit zwei gekreuzten Schwe r tern prangte. Ein Schaufenster gab es aber nicht.
    »Versuchen wir unser Glück«, brummte der Kater. Wir betraten den Laden. Sobald wir durch die Tür waren, wussten wir, dass wir uns nicht geirrt hatten.
    Der Raum war lang und schmal wie ein Korridor. Die Wände übe r zog ein enges Eisengitter, das die Waffen an die Steinmauer presste. Angesichts ihrer Vielfalt gingen mir die Augen über. Schwerter, Do l che, Armbrüste, Säbel, Lanzen, Äxte – und noch etliche andere scha r fe und spitze Gegenstände, deren Namen ich nicht wusste.
    »Wow!«, rief Len begeistert und streckte eine Hand durch das Gi t ter, um ein Schwert mit einer langen und schmalen Klinge zu berü h ren. Doch seine Finger glitten durch die Schneide hindurch wie durch Nebel. Ruckartig zog

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