Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
geht es nicht darum, dass ihr euch ausruht. Wir wollen feiern.«
    Ich starrte Len an. Anscheinend wusste er, worauf der Kater abzie l te. Im Gegensatz zu mir. »Und aus welchem Anlass?«, fragte ich.
    Der Kater sprang auf meinen Arm. Plötzlich rieb er sein Gesicht an meinem Kinn. »Alles Gute, Danka. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!«
    Len streckte die Hand aus und klopfte mir unbeholfen auf die Schu l ter. »Herzlichen Glückwunsch, Danka!«
    »Na, ihr seid mir ja welche«, stammelte ich. »Was heißt hier G e burtstag? Bis dahin sind es doch noch … «
    Ich verstummte. Wie viel Zeit war inzwischen eigentlich schon ve r gangen?
    »Sonnenkater haben ein famoses Zeitgefühl«, erinnerte mich der K a ter leise. »Du hast heute Geburtstag, Danka. Heute wirst du vierzehn Jahre alt. Aber bei allem, was wir erlebt haben, hast du das natürlich vergessen … «
    Ich setzte mich auf den Stein und ließ die Beine baumeln. Mit einem Mal war mir die Höhe total egal. Die Höhe, pah! Was mich ferti g machte, war, dass ich nicht mal ansatzweise bemerkt hatte, wie ein ganzer Monat vergangen war!
    Andererseits: Wann hatte ich schon mal so ein Abenteuer erlebt – dass ich meinen Geburtstag an einem Ort wie diesem hier feierte? So weit das Auge reichte, erstreckten sich Berge. Auf ihren Gipfeln saßen Schneemützen. Durch die Schluchten sprudelten Flüsse. Die Hänge entlang waberten Nebelbänder. Und Wind wehte, ein kalter und reiner Wind. All das betrachtete ich durch das Visier, das die ewige Nacht in dichte Dämmerung verwandelte, in einen sehr trüben Tag.
    In der Stadt der Händler oder in Lens Stadt hätte ich meinen G e burtstag nicht feiern wollen. Auf der Jacht, unter einer fremden Sonne, erst recht nicht.
    Hier zu sitzen fühlte sich gut an. Jetzt war ich also tatsächlich vie r zehn. Fast erwachsen. Und ich saß mit meinen Freunden zusammen auf einem winzigen Felsvorsprung, mit einem Wahren Schwert am Gürtel.
    »Vielen Dank, Freunde«, sagte ich bloß.
    Len kramte gerade in seiner Tasche und zog ein paar Beutel mit E s sen heraus. Anschließend beförderte er etwas verlegen eine Flasche zutage. »Wir trinken jetzt Sekt«, erklärte er. »Der Kater sagt, das macht ihr so.«
    Ich schielte zum Kater hinüber. Dieses wandelnde Lexikon …
    »Außerdem habe ich noch ein Geschenk für dich.« Lens Stimme klang leicht verändert. »Es ist … etwas seltsam. Aber du wirst es schon begreifen.«
    Len stellte sich gerade hin und knöpfte den Flügeloverall auf. Genau an der Stelle über dem Herz war eine kleine, weiße Scheibe an den Stoff genäht. Ganz vorsichtig, nur mit der Spitze seines Dolchs, mac h te Len sich daran, sie herauszutrennen.
    »Was ist das? Ich habe so was nicht.« Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich ziemlich mulmig.
    »Das ist der Schlüssel für die Flügel.« Len hielt mir die Scheibe hin.
    Das Ding war leicht und fühlte sich kühl an, die herunterhängenden Enden der Fäden schienen direkt aus ihm herauszuwachsen.
    »Wozu ist der gut?«, fragte ich, denn ich begriff immer noch nicht, worum es ging.
    »Wenn du den Schlüssel zerbrichst, sterben meine Flügel«, erklärte mir Len ganz ruhig. »Der Schlüssel überwacht meine Flügel.«
    »Wozu?«, wiederholte ich. Len zuckte mit den Schultern.
    »Das ist in ihrer Welt üblich, Danka«, klärte mich der Kater auf. »Und lass es dir nicht einfallen, das Geschenk abzulehnen. Das ist ein Vertrauensbeweis.«
    »Möchtest du, dass ich den Schlüssel an mich nehme?«, fragte ich Len ganz direkt.
    Len nickte und goss Sekt in die Gläser. So geschickt, wie er die Fl a sche entkorkt hatte, fielen mir zwangsläufig seine Worte über die J u nioren ein, die in ihrem Club angeblich keinen Wein tranken!
    »Ich würde dir auch gern meinen Schlüssel geben, Len … «, setzte ich an.
    »Du hast doch gar keinen«, unterbrach mich Len energisch. »Du bist doch der Senior. Außerdem würde ich den sowieso nicht nehmen.«
    Ah ja! Ich schielte zum Kater hinüber, der völlig unzivilisiert die E s senspakete beschnüffelte, streckte die Hand mit dem Schlüssel aus und tippte Len auf die Schulter. »Eine Frage noch … «
    Mein Junior verteilte gerade die Reste des Sekts auf die drei Gläser. Hieß das etwa, er schenkte dem Kater auch was ein?
    »Hättest du mir den Schlüssel nicht schon längst geben müssen? Schon in dem Moment, als du mein Junior geworden bist?«
    Ohne mich anzusehen, nickte Len.
    »Warum schenkst du ihn mir dann jetzt? Ist irgendwas

Weitere Kostenlose Bücher