Der Herr der Finsternis
passiert?«
»Das ist aber schon die zweite Frage … «
»Len!«
»Mit mir stimmt was nicht, Danka!« Endlich sah er mir in die A u gen. »Seitdem ich im Turm war. Ich … also … ich träume komische Sachen. Dass ich mit dir kämpfe oder … « Len stockte kurz. » … dass ich ein Freiflieger bin. Deshalb ist es bestimmt besser, wenn du den Schlüssel hast.«
»Quatsch!«, rief ich und versuchte, möglichst überzeugend zu wi r ken. »Ich träume auch ständig irgendwelchen Unsinn. Dass ich in den Kosmos fliege und dort gegen sonst wen kämpfe … Oder … aber das erzähle ich dir lieber nicht in Anwesenheit des Katers, er ist ja schlie ß lich noch klein.«
»Ich weiß schon, woran du denkst, Danka«, sagte Len mit einem Lächeln. »Aber du behältst den Schlüssel trotzdem, ja? Es ist mein Geschenk.«
Es wäre dumm gewesen, noch länger darüber zu streiten. Ich drehte die Scheibe in meinen Fingern und steckte sie vorsichtig in die Inne n tasche des Flügeloveralls. Es gab da eine Tasche, die von feinen M e tallplättchen geschützt wurde, sodass der Schlüssel nicht zerbrechen konnte. Außerdem passte er gut dahinein – zu gut, als dass es ein Z u fall sein konnte.
»Ich habe ebenfalls ein Geschenk für dich«, erklärte der Kater plöt z lich. »Das ist allerdings noch seltsamer. Deshalb trinkt zunächst ei n mal eure Limonade.«
Gehorsam griffen Len und ich nach unseren Gläsern. Erstaunliche r weise setzte sich auch der Kater vor sein Glas und schnupperte mis s trauisch am Sekt. Unwillkürlich musste ich lächeln. Wenn meine Mu t ter mich jetzt sehen könnte! Wie ich Alkohol trank, mich am Abhang einer Schlucht lümmelte, zusammen mit einem sprechenden Kater …
Der Sekt schmeckte überhaupt nicht süß wie der, den ich von zu Hause kannte. Trotzdem schmeckte er. Der Kater leckte mit angew i dertem Gesicht ein viertel Glas aus, bevor er sich schließlich über die Wurst hermachte. Len und ich stürzten uns ebenfalls auf die Fress a lien. In meinem Kopf rauschte es.
»Mein Geschenk besteht aus Worten, Danka«, verkündete der Kater, nachdem er sich satt gegessen hatte. »Du bist jetzt alt genug, damit ich dich in Verschiedenes einweihen kann.«
»Nur zu«, forderte ich ihn auf, während ich versuchte, Käse mit dem Schwert zu schneiden. Ich wollte das unbedingt mit dem Schwert m a chen, obwohl es ständig abrutschte und nur idiotisch kleine Streifen abhobelte.
»Wir fliegen jetzt in irgendeine Stadt der Flügelträger und überreden sie, in den Krieg gegen die Freiflieger zu ziehen.«
»Sollen wir selbst etwa nicht kämpfen?«, fragte Len perplex.
»Doch, aber nicht nur wir. Danka wird dir bestätigen, was ich jetzt darlege, denn in seiner Welt kommt es ebenfalls zu richtigen Kri e gen.«
»Stimmt«, bestätigte ich. Es gefiel mir, dass den Kater meine Me i nung interessierte.
»Krieg bedeutet, dass das ganze Volk, dass alle Menschen in den Kampf gegen den Feind ziehen«, fuhr der Kater fort. »Wenn alle Krä f te aufgeboten werden, wenn die Menschen nur noch eine Alternative akzeptieren: entweder den Sieg zu erringen oder zu sterben.«
»Bei uns will aber niemand sterben.« Lens Gesicht verfinsterte sich.
»Aber ihr wollt doch, dass die Sonne scheint?«, fuhr ihn der Kater an. »Deine Generation hat sie zwar nicht verkauft – aber sie ist es, die den Preis dafür zahlt! Entweder ihr dient noch tausend Jahre lang den Freifliegern und Händlern oder ihr geht das Risiko ein! Denn den a n deren kommt das, was ihr bislang unter Krieg versteht, hervorragend zupass! Die Freiflieger brauchen junge dumme Bengel als Nac h wuchs. Und die Händler brauchen frische Ware – eure erwachsenen Männer und die Waffen der Freiflieger. Vorwürfe kann man beiden eigentlich nicht machen, das ist einfach ihre Moral. Aber wenn du ein Mensch bist, Flügelträger, dann stelle dich gefälligst auf die Seite des Lichts!«
Len schwieg.
»Du kannst mein Glas austrinken«, sagte der Sonnenkater unvermi t telt. »Und nimm ’ s mir nicht übel, dass ich so deutliche Worte sage. Ich schlage eben keine Halbheiten vor … Len, mein Junge, wenn du die Sonne und die Sterne sehen möchtest, wenn du die Angst um dich und deine Freunde für immer hinter dir lassen willst … « Der Kater legte eine Pause ein. » … dann fang einen richtigen Krieg an!«
Len verteilte den Sekt des Katers auf sein und mein Glas. »Ich sage ja gar nichts«, meinte er verlegen. »Ich will nur keinen Krieg. Ich weiß nicht, wie man dort, in
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