Der Herr der Puppen: Das Geheimnis von Askir 4 (German Edition)
dem Platz der Ferne steht die Säule der Ehre, und er lässt den Adler in die Freiheit fliegen. Jeder, der die Ehrennamen kannte, versteht das Bild, und Ihr wusstet es nicht?«
Serafine schluckte. »Ist das Jerbil auf der Spitze der Säule? Er steht so hoch, er ist nicht zu erkennen …«
Der Archivar kniff die Augen zusammen. »Vielleicht ist er es, vielleicht nicht. Seit Jahrhunderten hat niemand mehr sein Gesicht erblickt. Aber es ist die Säule der Ehre, und er lässt den Adler fliegen. Das ist deutlich genug.« Er musterte sie freundlich. »Wenn Ihr einem alten Mann eine Freude machen wollt, wäre ich froh, Euch zu einem Tee einladen zu dürfen und Euch mit Fragen zu quälen. Über das alte Gasalabad und darüber, wie es sein kann, dass Ihr unter den Lebenden wandelt.«
Serafine wischte sich über die Augen und lächelte. »Ich werde Euch sicherlich besuchen.«
Der alte Mann nickte und schaute nun mich an. »Nehmt doch alle Platz«, sagte er. »Irgendwo. Räumt die Stühle frei, und dort in der Ecke muss es hinter den Schriftrollen auch noch Kissen geben. Ihr seid nicht hier, um mich mit Wundern zu verblüffen, ihr braucht meine Hilfe. Sie gehört euch, nur muss ich schon erfahren, was es ist, das ich tun soll.«
»Entschuldigt, o Hüter des Wissens. Woher wisst Ihr von mir?«, fragte Armin vorsichtig.
Abdul lächelte sanft. »Armin Antale Seraphon di Basra Talek, Fürst des Adlers, Herr der Gaukler, Agent der Löwin. Woher, glaubt Ihr, kommen die Dokumente, mit denen Ihr Eure Feinde zum Narren gehalten habt? Woher das Wissen, das Ihr nutzt, um sie zu Fall zu bringen? Meint Ihr, es war ein Zufall, dass Ihr von der Spur erfahren habt, die Euch zu Eurer Schwester führte?« Er sah zu Serafine hinüber. »Zuerst hielt ich sie für Euch. Aber Eure Mimik ist zu deutlich, Ihr könnt nicht Helis sein.«
»Ihr wisst von alldem?«, fragte Armin fassungslos, während ich zwei staubige Kissen aus der Ecke zerrte und auf den Boden vor Abdul legte, um mich anschließend zu setzen.
Abdul schaute uns alle an. »Die Essera Falah ist eine gute und alte Freundin. Wir kennen uns, seit wir Kinder waren. Es dauerte nicht lange, da fand sie heraus, dass ich niemals etwas vergesse. Sie war schon als Kind schlau und wusste, wohin sie gehen wollte. Ich weiß, dass sie mich achtet und schätzt und mir freundschaftlich verbunden ist. Manchmal glaubte ich sogar, es könnte mehr sein. Aber sie ist Falah, heute nennt man sie die Mutter des Löwen, lange war sie jedoch selbst die Löwin von Gasalabad. Sie wusste, dass es nützlich ist, das Wissen, das sie brauchte, greifbar zu haben. Das kam mir entgegen, denn die Schriften sind meine Leidenschaft, also benutzte sie mich nicht mehr als ich sie. Ich bin dort, wo ich sein will. Vom ersten Tag an, als ich als Kind mit großen Augen diese Welt betrat, hatte ich eine einzige Aufgabe.« Er studierte uns, um herauszufinden, ob wir verstanden, was er uns sagen wollte. »Meine Aufgabe war und ist es, alles zu wissen, was es zu wissen gibt. Dazu gehört auch das Wissen, dass der Priester, der den Bund zwischen Euch, Armin di Basra, und Faihlyd schloss, nicht plaudern wird, auch nicht gegenüber seinen Brüdern. Ich kenne Tausende Geschichten von Lebenden und solchen, die nicht mehr unter uns weilen, denn ihre Worte und Gedanken sind noch hier …« Er vollführte eine Geste, welche die gesamte Bibliothek einschloss. »Ich sitze hier in diesen Mauern, umgeben von Spiegeln und von Texten, und doch sehe ich die Stadt besser als jeder andere. Ich lese, was andere nicht lesen dürfen, also auch das, was Ihr geschrieben habt, Fürst der Adler.«
»Ihr dürftet nicht leben«, sagte Armin leise, und er meinte es ernst. Ich sah ihn verwundert und auch erschreckt an und war damit nicht der Einzige.
Abdul lachte. »Ja, ja. Die Essera Falah sagt es hin und wieder. Ich weiß, dass sie bereits einmal mein Todesurteil unterschrieben hat. Ich weiß nicht, ob sie es weiß, aber das Urteil ist in den Akten.«
»Warum sagt Ihr uns das?«
»Weil Falah es mir auftrug. Ein Geheimnis gegen ein Geheimnis. Eine Frage gegen Vertrauen.«
Ich blinzelte, denn das kam unerwartet.
»Ich soll Euch in ihrem Auftrag etwas fragen«, fuhr Abdul fort.
»Dann fragt.«
»Wie kommt es, dass ich, der alles Wissen in seinem Herzen trägt, nichts von den magischen Toren weiß?«
»Ihr wisst nichts von ihnen?«, fragte ich erstaunt.
Er schüttelte den Kopf.
Serafine war genauso verblüfft wie Leandra und ich. Natalyia sagte
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