Der Herr der Puppen: Das Geheimnis von Askir 4 (German Edition)
wusste es, und ich fragte mich, was es für ein Gefühl sein musste, diesen Ort wiederzusehen.
Hahmed wartete, bis die Sänften etwas Abstand hatten, dann wandte er sich mir zu und verbeugte sich so tief, dass seine Stirn beinahe den gepflegten Kiesweg berührte, auf dem wir uns befanden.
»Havald Bey«, sagte er ernst und wirkte sogar etwas verlegen. »Ihr seht mich beschämt. In meinem Stolz erkannte ich nicht, was meine Herrin sofort in Euch erkannte. Ich hielt Euch für respektlos, dabei war ich es, der den Respekt vermissen ließ. Verzeiht mir, Saik.«
Er hätte nichts Unerwarteteres sagen können; ich sah ihn mehr als überrascht an. Neben mir amüsierte sich Serafine über meinen Gesichtsausdruck.
»Hahmed, Hüter des Protokolls …«, begann ich und stockte, als ich nach Worten suchte. Wo war Armin, wenn ich ihn brauchte? »Es war ein unglücklicher Tag, ich war nur müde. Ihr habt Euch nichts vorzuwerfen, in Wahrheit war ich es, der es an Respekt mangeln ließ.«
»O Hüter des Protokolls und der Türen, was ist es, was Ihr meinem Herrn sagen wollt?«, half mir Serafine aus der Klemme, und ich bemerkte, wie Hahmed sie überrascht musterte. In meiner Heimat gab es die gleiche Sprache wie hier, doch sie hatte sich verändert, seit der Kontakt zum Alten Reich abgebrochen war. Außerdem gab es vielerorts noch andere Sprachen und lokale Dialekte. Was wir benutzten, war die Hochsprache des Alten Reiches. Für Hahmeds Ohren sprach ich wahrscheinlich einen brutalen Dialekt, und auch ich musste mich noch immer anstrengen, damit ich alles verstand.
Serafine sprach üblicherweise nicht sehr viel anders, als man es in meiner Heimat tat, ähnlich wie Leandra. Armin war weit herumgekommen, und wenn Faihlyd zugegen war, sprach er anders als dann, wenn er uns begleitete. Ich hatte Zeit genug gehabt, die Hochsprache zu lernen, dennoch würde man immer hören, dass ich aus Kelar stammte. Doch jetzt gerade sprach Serafine wie Faihlyd, mit der klaren Diktion, die manche Priester besaßen, und dem weichen Sprachklang von jemandem, der in dieser Stadt geboren war, einer Stadt, in der man an jedem Tag an jeder Stelle Dutzende Sprachen hören konnte.
Mit diesem einen Satz hatte sie sich, die hier die dunkle Kleidung einer Leibwächterin trug, als ein Mitglied der obersten Führungsschicht des Landes etabliert, als jemand, der mehr war, als es den Anschein hatte. Hahmed hatte dies sofort erkannt.
Er sah überrascht von mir zu ihr und deutete dann eine leichte Verbeugung an. »Es fällt mir schwer, über solcherlei zu sprechen«, sagte er dann langsam. »Ich diene der Essera Falah von Kindheit an, und sie ist das Licht, das mein Leben leitet. Ich leide, wenn sie leidet, und ihr Glück ist das meine. Der Emir war mein Herr. Wären die Geschicke anders, hätte ich ihn Freund und Bruder genannt. Wo Saik Havald sich auch befindet, er wendet das Schicksal der Menschen. Er war zugegen, als die Priester Soltars ein Wunder wirkten, das die Emira von schweren Wunden genesen ließ, er war zugegen, als die Götter die arme Amme von Faraisa, der Blüte des Baums, berührten und den ruchlosen Plan einer üblen Nekromantin vereitelten.« Er zögerte. »Es ist so, dass ich ihm von ganzen Herzen meinen Dank aussprechen will, dass er zugegen war, um unser Schicksal zu wenden … doch ich finde einfach nicht die Worte.«
»Ich finde, dass Ihr es gut gesagt habt.« Serafine lächelte unter ihrem Schleier.
Hahmed stutzte und sank dann langsam vor ihr auf die Knie. »Seid Ihr jene, die einst Tochter des Wassers war und zurückgekehrt ist?«, fragte er andächtig.
Ich sah mich um, in Sichtweite befand sich gut ein halbes Dutzend Soldaten der Palastwache, doch sie taten alle, als wäre nichts dabei, wenn der Hüter des Protokolls vor einer Leibwächterin niederkniete. »Ihr habt uns alle vor der Dunkelheit gerettet, ganz wie es vorhergesagt wurde!«
Ich konnte mit Mühe ein Stöhnen zurückhalten. Ich hasste Prophezeiungen.
»Erhebt Euch, Hahmed«, sprach Serafine und berührte den älteren Mann leicht an der Wange.
Er stand auf, wirkte aber noch immer erschüttert. Diesmal wandte er sich hilfesuchend an mich. »Seht Ihr, Havald Bey, ich kümmerte mich um Helis und Faraisa und sah die einfache Freude in ihrem Herzen, wenn sie mit dem Säugling beschäftigt war. Mein Herz blutete, als ich sah, wie viel Güte noch in ihr zu finden war, selbst nachdem ein Ungeheuer ihr die Seele geraubt hatte.« Er schniefte und wischte sich eine Träne aus dem
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