Der Herr der Puppen: Das Geheimnis von Askir 4 (German Edition)
unergründlich und voller Sterne. An der Stirnwand stand ein kleiner Altar, dort lagen frische Opfergaben. Sechs große Tische aus weißem Marmor waren im Raum verteilt, und jeder dieser Tische enthielt Blutrinnen, die zu silbernen Wannen führten. Es roch nach Blut und Seife.
Zwei der Tische waren belegt, unter weißem, zum Teil blutigem Leinen waren die Konturen menschlicher Körper zu erkennen. Ins Gespräch vertieft, warteten in diesem seltsamen Vorhof zu Soltars Reich drei Personen auf uns. Da war Essera Falah, ganz in Schwarz gekleidet und unter ihrem Umhang mit dem offenen Schleier um Jahre gealtert. Neben ihr stand ein älterer Mann mit schlohweißem Haar, den ich bereits kennengelernt hatte: Perin da Halat, ein Gelehrter aus fremden Landen, Leibarzt von Faihlyd und wohl auch der restlichen Familie der Emira. Sowie ein weiterer Mann. Im ersten Moment und wegen seiner kleinen, eher rundlichen Statur und dem offenen, neugierigen Gesichtsausdruck wirkte er nicht wie jemand, den ich hier erwartet hätte, doch er trug eindeutig die Roben eines Soltarpriesters.
Die Kälte war nicht nur körperlicher Natur, hier war Soltars Hand deutlich zu spüren und lastete auf den Seelen der Lebenden.
Als sie uns gewahr wurden, neigte Essera Falah das Haupt, der Leibarzt verbeugte sich leicht, doch zu meiner Überraschung war es der Diener Soltars, der sich am tiefsten verbeugte.
Neben mir hörte ich, wie Serafine einen Laut von sich gab, der einem leisen Stöhnen ähnelte.
»Seid willkommen, Havald Bey«, ergriff zuerst der Priester des Todes das Wort. Er musterte mich und Serafine mit einem neugierigen und offenen Blick. »Seid ohne Furcht, denn es ist meine Aufgabe, die Grenzen des Todes zu halten und Euch sicher wieder in das Licht des Lebens zu führen. Achtet das Leben, zeigt Respekt und Ehrfurcht vor jenen, die hier liegen, und bedenkt, dass am Ende jeder vor ihm stehen wird und er jede Seele führen wird in das Reich, über das er gebietet, und in das neue Leben, das auf uns wartet, treten wir durch seine geheiligten Hallen ein.«
»Ehre den Göttern«, flüsterte Serafine neben mir.
»Ehre den Göttern«, wiederholte ich und sah zu ihr hinüber. Ihre Augen waren groß und rund, und ich überlegte, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, sie mitzunehmen. Ich überlegte nebenbei auch, ob es eine gute Idee war, dass ich selbst hierhergekommen war.
Ich machte einen langen Schritt und betrat den Raum, Serafine folgte mir, hinter uns schloss sich die Tür aus Stein lautlos. Als sie zu war, schien die Kälte weiter zuzunehmen.
Der Priester trat an uns heran. »Verharrt bitte so«, sagte er leise. »Ich muss ein Ritual vollführen, auf dass ihr sicher dem Tod gegenübertreten könnt. Denn ist die Seele erst einmal sicher in Soltars Hallen, nimmt der Tod vollends Besitz von sterblichen Überresten, und selbst an geweihten Orten wie diesem greift der Tod mit unsichtbaren Fingern nach allem, was lebt.«
Er hielt jedem von uns eine silberne Kette hin, an der in einer schwarzen Perle das Symbol Soltars schimmerte. »Legt diese Ketten um, so wird euch nichts geschehen.«
Schweigend taten wir, wie geheißen.
Er kreuzte die Hände vor seiner Brust und schloss die Augen. »Herr, schütze die, die dein Reich besuchen, vor dem unsichtbaren Tod, banne Krankheit und Unbill, halte ab die Gifte der Verwesung, halte deine schützende Hand über die lebenden Seelen in deinem Reich und führe uns sicher zurück ins Licht des Lebens.«
Er atmete tief durch und öffnete die Augen wieder, für einen Moment schienen sie mir schwarz wie die Nacht selbst. Dann schenkte er uns ein schmales Lächeln.
»Ich habe es euch versprochen, also wird euch nichts geschehen. Wenn ihr jene kennt, die dort aufgebahrt sind, trauert nicht um ihre Körper, ihre Seelen sind frei und sicher in der Hand meines Gottes. Nichts wird sie mehr berühren, nichts ihnen schaden, keine Krankheit sie lähmen, und jedes Gebrechen ist, als wäre es nie gewesen. Wenn sie in seinen Augen Gnade finden, mag es sein, dass in diesem Moment neues Leben das Licht erblickt, ein erster Schrei ertönt und der, der euch einst geliebter Freund, Vater, Bruder, Frau, Sohn oder Tochter war, in neuem Gewand ins Licht des Lebens tritt. Vielleicht begegnet ihr ihnen noch einmal, dann werdet ihr sie erkennen.«
Mit einer letzten Verbeugung trat er zurück, ging gemessenen Schrittes hinüber zu dem kleinen Altar, um dort niederzuknien.
Die Essera Falah brach das Schweigen mit ihrer
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