Der Herr der Puppen: Das Geheimnis von Askir 4 (German Edition)
»Wie wichtig ist jemand, der bestimmt, wer welchen Vorkoster erhält?«, fragte sie zurück. »Das Protokoll ist ein Werkzeug. Wenn er jemandem den Zugang verwehren will, wird ihm ein Protokoll einfallen, das es, zu seinem großen Bedauern, nicht ermöglicht, eine Audienz zu gewähren. Und je nachdem, welches Protokoll das ist, werden die Wächter dann mehr oder weniger sorgsam mit dem Gast verfahren.« Sie wirkte nun amüsiert. »So war es zu meiner Zeit, als dieser Palast nur ein Viertel seiner Größe hatte. Ich denke, über die Jahrhunderte fanden an vielen Stellen Ergänzungen und Verfeinerungen statt, sicherlich auch im Bereich des Protokolls. Aber eines ist bestimmt gleich geblieben. Er entscheidet, wer Zugang zur Emira erhält. Hast du damit deine Antwort, Sergeant … Havald?«
Ja, die hatte ich. Ich erinnerte mich an meine erste Begegnung mit dem Hüter des Protokolls, als er mir acht Soldaten als Ehrengarde zur Verfügung stellte, weil ich nicht gewillt war, mein Schwert abzulegen. Die Essera Falah selbst hatte zur rechten Zeit interveniert, doch ohne ihr Eingreifen … Wohin hätten mich die Wächter geleitet?
Der Rasen links und rechts des Weges war grün und satt, trotz der sengenden Hitze, und nicht weit entfernt scheuchte ein Wächter in einer polierten Schuppenrüstung gerade einen frei herumlaufenden Fasan zur Seite. Das Gebäude, auf das Hahmed zuhielt, war in einem hellen Pastellton getüncht und mit einem Mosaik aus Palmen verziert, zur Linken plätscherte ein Brunnen, an dem eine junge Frau in feinen Gewändern ein paar Worte mit einem respektvoll Abstand haltenden Soldaten der Palastwache wechselte. Unter blauem, wolkenlosem Himmel erschienen die Gärten des Palasts als eine paradiesische Oase der Ruhe, doch auch hinter diesen pastellfarbenen Mauern lauerten Gefahren, Gefahren anderer Art, für die ich kein Auge hatte. Serafine schien meine Gedanken zu erraten und lachte leise.
»Mach dir keine Gedanken, Havald, du hast es bislang gut verstanden, mit ihm umzugehen. Du hast heute einen Freund gewonnen.«
Ich sagte nichts weiter dazu, als Hahmed uns eine Tür in dem Gemäuer öffnete und uns einen langen kühlen Gang entlang führte. Wenn es so war, dann war es wohl weniger mein Verdienst als das Serafines.
Die Wände hier waren überraschend dick, und Licht fiel nur durch Schächte in der Decke, die ebenfalls von massiverer Bauart war als vermutet. Es war kühl hier, fast kalt, doch das war nicht der einzige Grund, weshalb ich fröstelte: Dieser Gang endete an einer Tür aus Stein, die das Symbol des Stundenglases trug, das Symbol Soltars. Es war kein Schrein, das spürte ich, aber sehr wohl ein Ort, der dem Tod geweiht war.
Hahmed verharrte vor der Tür aus Stein und wandte sich uns zu. »Nur wenige kennen diesen Ort, noch weniger haben Zugang zu ihm. Meine Herrin wies mich an, Euch hierher zu führen, sie gestattete mir, diesen Ort nicht betreten zu müssen.«
Er bemerkte meinen Blick und deutete ein Kopfschütteln an. »Es besteht keine Gefahr … Es ist nur so, dass ich meinen Herrn, den Emir, möge seine Seele in den Augen der Götter Gnade und Gefallen finden, in anderer Erinnerung behalten möchte. Meine Herrin ist um vieles stärker als ich, sie wird Euch erwarten.«
Er legte eine Hand leicht auf die Tür. »Näher will ich Soltars Reich so bald nicht kommen«, sagte er leise, verbeugte sich tief vor uns, um sich dann ruckartig umzudrehen und mit schnellen Schritten in den langen Gang zu fliehen.
»So genau will ich nun auch nicht mehr wissen, was sich hinter dieser Tür verbirgt«, sagte Serafine mit hochgezogener Braue, als sie dem kleinen Mann nachsah. »Mir fallen gleich mehrere Protokolle ein, die er soeben verletzt hat.«
Ich legte nun ebenfalls die Hand auf die Tür und fühlte eine Kälte in dem Stein, die ich kaum mit der Hitze, die sonst so brütend über Gasalabad lag, vereinbaren konnte.
Obwohl ich sie kaum berührt hatte, schwang die Tür lautlos auf und gab den Blick frei auf eine lange Halle, die an Boden, Wand und Decke weiß gekachelt war. Große polierte Spiegel, die das Licht, das durch einen tiefen Deckenschacht fiel, bündelten und verteilten, tauchten den Raum in gleißendes Licht; nur die Stirnwand, auf die wir schauten, war schwarz gekachelt. In einem kunstvollen Mosaik war dort Soltar abgebildet, der in einer geöffneten Hand eine Feder wog, in der anderen einen gequälten Leichnam. Die Augen des Gottes waren fast unter der dunklen Kapuze verborgen,
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