Der Herr der Puppen: Das Geheimnis von Askir 4 (German Edition)
Gefangenschaft, und sie kehrte heim zu meinem Gott. Und Soltar, dessen Gnade unendlicher ist, als wir Menschen uns denken können, entließ sie in den Körper, der mit Eurer Seele geboren wurde …«
»Das ist nicht möglich«, hauchte Serafine.
»Weil jene Geburt so lange her ist? Weil Generationen vergingen, seitdem Ihr das Licht des Lebens erblicken konntet? Deshalb soll es nicht möglich sein? Kind, was ist Zeit für einen Gott außer einem Blinzeln? Fürchtet Soltar nicht und auch nicht seine Diener. Niemand wird antasten, was der Gott selbst so gefügt hat.« Seine Tränen erstickten fast seine Stimme, je länger er sprach, und langsam sank der Priester auf die Knie. »Es ist alles wahr!«, schluchzte er, während ihm die Tränen immer schneller flossen, doch der Ausdruck in seinem Gesicht war euphorisch. »Hört Ihr? Es ist alles wahr, die ganzen Schriften, die Worte unseres Gottes, es ist wahr, hört Ihr? Eine Seele, die Einkehr nimmt in Soltars Reich, ist ewig, und sie kehrt, wenn es eine reine Seele ist, wirklich wieder zurück!«
Essera Falah trat an den Priester heran und legte ihm sanft die Hand auf den Kopf. »Habt Ihr daran gezweifelt?«, fragte sie dann mit sanfter Stimme.
Schluchzend nickte der Priester. »Ich wache über diesen Raum schon so lange«, fuhr er mit tränenerstickter Stimme fort. »Ich sah so viel Leid, das Menschen angetan wurde, solchen Schmerz … Und ich hoffte und betete und glaubte, Soltar, Herr, verzeih mir, und wie ich glaubte, so fest und so stark ich konnte, ich war Euch immer treu, Herr, und wollte nie zweifeln, ich glaubte so fest … und es war nie genug, denn ich zweifelte noch immer …«
»Also habt Ihr um ein Zeichen gebeten?«, fuhr die Essera Falah sanft fort.
Der Priester nickte wieder.
»Darin seid Ihr nicht allein. Aber Euer Herr erwies Euch die Gnade, ein deutliches Zeichen zu senden. Andere sind schwieriger zu deuten.« Die Essera sah zu Serafine hinüber, die bleich geworden war, als ihr die Bedeutung der Worte des Priesters klar wurde.
»Wenn dies der Plan Soltars war«, sagte Serafine mit geballten Händen, »dann verfluche ich ihn. Denn dann sind wir nichts anderes als ein Spielball der Götter und nichts, was wir erschaffen, nichts, was wir vollbringen, hat eine Bedeutung, keine Entscheidung einen Sinn! Dann ist dies eine Existenz, die verfluchter ist als alles, was je hätte sein können!« Sie sah zu dem Mosaik Soltars, und ihre Augen brannten. »Hörst du!«, rief sie. »Ich verfluche dich, weil du mir meine Liebe nahmst, meine Ehre, meinen Willen, mein Leben, all das, wofür ich litt, liebte, schrie, bettelte und kämpfte! Wie kann ein Gott so grausam sein?«
Nicht nur ich war erschreckt und fassungslos, sie plötzlich so wütend zu sehen, obwohl ich ihre Gedanken schon oft selbst gedacht hatte … Aber bislang hatte der Beweis gefehlt …
»Nein!«, rief der Priester und sprang auf. »Nein, so ist es nicht! Er hat es so gefügt, aber nicht bestimmt! Er hat Euch nicht gezwungen und hierhergeführt wie einen Spielstein, nein, es ist anders herum, versteht Ihr denn nicht? Helis, so wie ich sie fühlte, war frei von jeder Sünde, unschuldig auch in den Augen der anderen Götter. Und ebenso fand Euer Leben Gnade in den Augen der Götter! Hättet Ihr anders gehandelt, an jeder Wegweiche Eures Lebens, wärt Ihr auch nur einen falschen Schritt gegangen, Euer Weg hätte Euch nicht hierhergeführt. Es ist Eure Belohnung, versteht Ihr, Ihr habt Gnade gefunden, weil Ihr getan habt, was Ihr getan habt! Die Götter bestimmen nicht das Schicksal der Menschen, das tun nur wir selbst! Aber sie sehen es. Und manchmal … manchmal gewähren sie uns die Gnade der Einsicht!« Er erhob sich mühsam, fast schwankend und trat erneut vor Helis/Serafine und sah sie aus feuchten Augen eindringlich an. »Glaubt das nicht. Mein Gott gab Euch nur die Möglichkeit, zu Euch selbst zurückzukehren … Ob und wie Ihr sie genutzt habt, lag allein bei Euch. Euer Wille ist frei … Bitte glaubt mir, denn ich weiß es! Das Leben ist keine Strafe, sondern ein Geschenk, und der freie Wille des Menschen muss sein, damit wir wachsen können in unserem Leben, in diesem und in anderen!«
»Serafine«, sagte ich und legte ihr die Hand auf die Schultern. Sie sah mich aus feuchten Augen an. »Ich habe ähnlich gedacht wie du eben. Und ich folgte dem Pfad meiner Gedanken, bis ich zum gleichen Schluss kam wie dieser Priester. Wir haben einen freien Willen, weil wir sonst nicht
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