Der Herr der Puppen: Das Geheimnis von Askir 4 (German Edition)
greifen, scheint mir unwahrscheinlich. Es war ein Mann. Und er muss genau gesehen haben, was geschah, sonst hätte er nicht im passenden Moment handeln können. Unter den Gästen bei der Krönung befand sich nicht nur diese Kreatur, sondern auch ein anderer. Er ist der Mörder Eures Sohns.«
Ich begegnete dem Blick der Essera so offen ich konnte. »Ihr wolltet den Beweis für diese Schandtat. Hier habt Ihr ihn. Und wir wissen jetzt etwas über ihn, doch er weiß nicht, dass wir es wissen. Auch wenn er über noch so viele Gaben verfügt, er wird nicht wagen, in diesen Raum, der Soltar geweiht ist, hineinzureichen.«
»Faihlyd trug das Auge von Gasalabad«, widersprach die Essera. »Sie hätte einen Nekromanten erkannt.« Sie sah auf die Tote herab. »Umso erstaunlicher ist es …«
»Ihr vergesst, es war nicht das echte Auge«, unterbrach ich sie und verfluchte meine eigene Dummheit. Der Plan des Gegners schien mir nun von größerer Dichte als zuerst gedacht. »Denn das Auge wurde ja gestohlen und durch eine Kopie ersetzt, auch deshalb, damit der Nekromant der Sicht Eurer Enkelin verborgen blieb. Das wahre Auge befand sich in Gewahrsam eines anderen, der diesen Plan von langer Hand vorangetrieben hatte. Und nur ihm kann daran gelegen gewesen sein, nicht nur das Auge auszutauschen, sondern auch Marinae. Und so ist er …«
»… derjenige, der weiß, was mit Marinae geschehen ist«, beendete die Essera den Satz.
Ich nickte. »Aber er muss nicht der Nekromant sein. Dies gilt es herauszufinden. Was ich aber mit Sicherheit weiß, ist, dass derjenige, der das falsche Auge schuf und vielleicht auch Marinae entführen ließ, im Auftrag handelt und mit mehr als einem Faden strickt. Wir müssen ihn dazu bringen, alles zu verraten, was er weiß, und das wird nicht einfach werden. Vor allem, wenn er tatsächlich der Nekromant ist.«
»Ich verstehe langsam, worauf Ihr hinauswollt, Ser Havald«, sagte die Essera nachdenklich, und zugleich sah ich in ihren Augen gerechten Zorn aufflackern und den Willen, diesen Frevel zu ahnden.
»Faihlyd trägt wieder das echte Auge«, fuhr ich fort. »Vielleicht wird sie den Mörder ihres Vaters erkennen können. Doch sie darf nicht zeigen, dass sie ihn erkennt, sie muss so tun, als wäre das Auge blind.«
»Aber wenn Faihlyd das falsche Auge trug, wieso hat es dann geleuchtet?«, fragte die Essera zweifelnd.
»Weil es der Wille der Götter war«, gab ich ihr die einzige Antwort, die ich kannte.
Sie sah mich lange an, bevor sie bedächtig nickte. Sie hatte sich wohl entschlossen, meinen Worten Glauben zu schenken. »Warum habt Ihr uns das nicht früher gesagt?«
»Essera Falah, wir wussten es nicht. Wir wussten nur, dass etwas geplant war, und das teilten wir Euch mit. Erst als ich sah, welche Rolle das Auge in der Zeremonie spielen würde, ahnte ich, was geschehen war. Es war ein hinterhältiger Plan. Nicht nur, dass das falsche Auge den Anspruch der falschen Marinae auf den Thron Eures Sohns bekräftigen sollte, zugleich verbarg die Fälschung auch die Nekromanten vor dem Blick Eurer Enkelin. Und da sich diese Kreatur hier im Palast aufhielt und so jederzeit dem Auge begegnen konnte, war es umso wichtiger, es so schnell wie möglich auszutauschen. Ich denke, das Ungeheuer fand keine ruhige Sekunde, bis es ihm gelang, das Auge durch die Kopie zu ersetzen. Denn ich habe meine Zweifel, dass sein Talent gegen das Auge hätte bestehen können. Ein riskanter Plan sicherlich, aber einer, der beinahe große Früchte getragen hätte. Doch erst Natalyia lieferte den Beweis dafür. Sie war es, die das echte Auge bei dem Dieb fand und es zurückstahl, vielleicht sogar zeitgleich mit der Zeremonie, doch sie wusste nichts von dem, was im Kronsaal vorging. Sie brachte es erst, als wir von der Krönung zurückkehrten. Es war ein anstrengendes und gefährliches Unterfangen. Und in der Nacht darauf brachte sie dem Dieb das falsche Auge zurück, sodass dieser denken muss, dass Faihlyd noch immer die Kopie besitzt und er das Original.«
Die Essera musterte mich scharf. »Ist das möglich?«
Ich nickte. »Ja. Er muss es sicher aufbewahrt glauben, und Natalyia hinterließ keine Spuren.« Ich lächelte. »Sie hat ein besonders Talent dazu.«
»Das«, sagte die Essera mit einem grimmigen Lächeln, »glaube ich gern. Einen Nekromanten zu bestehlen, dazu gehört schon etwas.«
»Wir wissen nicht, ob er es ist«, erinnerte ich die Essera.
»Wir werden sehen«, sagte sie und wischte sich über die
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