Der Herr der Puppen: Das Geheimnis von Askir 4 (German Edition)
wären.«
»Das«, meinte Essera Falah, »ist ein anderer Schluss.« Sie lächelte Serafine an. »Aber Ihr könnt auch ihm glauben. Denn es ist die bessere Alternative, nicht wahr? Also, warum sollte es nicht so sein? Auch Götter hätten viel zu tun, jeden unserer Schritte zu lenken. Wäre ich ein Gott, fände ich es spannender zuzusehen, was wir hier so treiben. Zuzusehen, wie wir dem Wissen, das uns so sorgsam vorenthalten wird, versuchen näher zu kommen. Doch ich bin kein Gott, also brauche ich noch immer Eure Hilfe.«
Serafine sah mir tief in die Augen, schluckte und nickte dann. »Mir geht es gut«, sagte sie leise, als Antwort auf meine unausgesprochene Frage. »Und Euch, Priester, und Euch, Essera Falah, danke ich. Denn Ihr habt recht, nur so ergibt es einen Sinn. Andernfalls wären die Götter selbst sinnlos.«
Ich warf einen skeptischen Blick zu Soltars Antlitz hinüber, entschied jedoch, nichts weiter zu sagen.
Serafine schaute ebenfalls zu dem Mosaik hinüber. »Ich hoffe, der Herr des Todes verzeiht mir meinen Ausbruch«, sprach sie leise.
Der Priester lächelte, er schien wahrhaft glücklich, dass sie diese Worte fand. »Er sieht in Euer Herz, Kind«, sagte er, was ihm einen seltsamen Blick von ihr einbrachte und mich fast wider Willen schmunzeln ließ.
Ich wandte mich der Essera zu. »Wir wissen nun, dass es nicht Essera Marinae ist, die Opfer eines Nekromanten wurde. Wenigstens war sie kein Opfer dieser Frau, denn ich sah ihr Gesicht nicht, als diese Kreatur hier starb. Die hier hat nur ihre Gestalt angenommen, auf magischem Wege. Ihr habt das vermutet, nicht wahr? Ihr hofft, dass Eure Enkelin noch lebt. Und wir sollen sie suchen.«
Sie nickte. »So ist es.« Sie warf einen Blick in Serafines Richtung. »Obwohl hier heute schon etwas sehr Wichtiges geschehen ist. Ihr beide solltet mich bei anderer Gelegenheit in meinen Gemächern besuchen, es gibt dort etwas, das ich euch zeigen will.«
Ich stöhnte leise, und sie lächelte. »Auch wenn ich glaube, dass Ihr es nicht sehen wollt.« Sie wurde wieder ernst. »Mein Herz ist erleichtert, dass ich nicht gleich zwei meiner Liebsten verloren habe, aber es besteht kein Zweifel, dass mein Sohn von dieser Nekromantin ermordet wurde. Kein Zweifel in meinen Augen, doch ich bat Euch aus genau diesem Grund hierher, Ser Havald. Ich brauche Euch als Zeugen.«
Ich musterte sie vorsichtig. Für mich hatte dieser Tag schon genug Unerwartetes gebracht, mich verlangte nach Ruhe.
»Es wurden Stimmen laut, dass Faihlyd eben nicht die rechtmäßige Erbin sei, denn kaum jemand von den Gästen hat gesehen, was wir sahen, konnte erkennen, welchen Bann diese Kreatur um uns alle webte. Sie sahen nur, dass Faihlyd das Auge von Gasalabad zum Leuchten brachte und dann, in einem Anfall von Wahnsinn, ihre Schwester erschlug. Und Erkul, mein Sohn … Es ist bekannt, dass sein Herz schwach war.«
Ich nickte vorsichtig.
»Ich bitte Euch einfach nur, einen Eingriff zu bezeugen, den mein Freund und Leibarzt, der Gelehrte da Halat, nun vornehmen wird. Euch alle und auch Euch, Diener des Soltar, bitte ich.«
Ich tauschte einen Blick mit Serafine, sie war noch etwas bleich, wahrscheinlich war es bei mir nicht anders.
»Das werden wir«, sagte ich dann.
Die Essera Falah gab dem Gelehrten ein Zeichen, und dieser zog das Laken von dem zweiten Toten. Dort lag, frisch gewaschen, der Emir. Er sah aus, als ob er nur schliefe.
Der Leibarzt nahm ein scharfes Skalpell zur Hand, und als ich in das versteinerte Gesicht der Essera schaute und das Geräusch hörte, wie der scharfe Stahl die Haut durchtrennte, wurde mir fast übel. Hinter mir hörte ich einen erstickten Laut. Selbst der Diener meines Gottes atmete tief durch.
Aber wenn die Essera Falah den Anblick ertrug, so konnte ich es auch.
Da Halat setzte das Skalpell erneut an, und ich zwang mich zuzusehen. Ich schaute zu, wie er sein Werk fortführte, wie er mit Zangen hantierte, wie der Blick freigelegt wurde in das geheiligte Innere eines Menschen, in das, was die Götter schufen. Ich wünschte mich weit fort von diesem kalten Ort.
Der Gelehrte trat einen Schritt zurück, er selbst atmete auch schwer, sein Handwerk kostete ihn Kraft. Langsam legte er die schwere, blutige Zange ab.
»Was ist es, das wir sehen sollen?«, fragte ich gepresst.
»Das«, gab er mir leise Antwort. »Seht Ihr?«
Ich erkannte nicht viel. »Was soll ich sehen?«, fragte ich vorsichtig.
»Habt Ihr schon einmal ein menschliches Herz gesehen?«
Ich
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