Der Herr der Puppen: Das Geheimnis von Askir 4 (German Edition)
Maestra de Girancourt. Ich trage Steinherz, das Schwert der Gerechtigkeit. Und wenn ihr Elfen seid«, sprach sie mit kalter Stimme, »dann bin ich ein Mensch! Ich kenne meine Mutter nicht, und nun bin ich dankbar dafür. Meinen Namen, Rang, Titel und mein Leben habe ich selbst gestaltet und bekam nichts davon geschenkt. Wenn ihr mich noch einmal Bastard nennt, nenne ich euch unhöfliche Barbaren. Denn man ist nicht das, als was man geboren wird, sondern der, der man im Leben wird. Ihr mögt so alt sein wie die Weltenkugel selbst, aber im Schatten des ewigen Baums reichte die Zeit wohl nicht, euch Anstand zu lehren.«
Mit einem Fauchen stürzte sich Lasra auf Leandra, die geschickt zur Seite auswich. Sie wirbelte die Elfe herum, verpasste ihr mit der flachen Hand zwei Ohrfeigen, eine links und eine rechts, und stieß sie dann weg. Die Elfe taumelte zurück und schaute sie so fassungslos an, dass sie offensichtlich vergaß, dass sie es war, die sich eben auf Leandra gestürzt hatte.
Das war das eine. Hinter uns kreischten die Greifen, und Steinwolke brach zwischen ihren kleineren Artgenossen hervor, um sich zwischen Leandra und jeden anderen zu drängen. Ein mächtiger Flügel wischte mich achtlos zur Seite. Noch während ich durch die Gegend purzelte, lachte ich, denn ich hätte niemals gedacht, dass eines dieser legendären Elfenwesen so fassungslos dreinschauen konnte.
Ich war nicht der Einzige, der wie Spielzeug durch die Gegend flog. Steinwolke war groß, und sie verschaffte sich ordentlich Platz, neben mir knallte Imra gegen die Palastmauer, rutschte kopfüber nach unten und richtete sich mit erstaunlicher Geschicklichkeit wieder auf.
»Beim Fluss der Welten!«, rief er. »Bastard oder nicht, das ist eine Frau!« Es klang ehrlich bewundernd.
»Elf«, sagte ich und lächelte nur leicht, als ich Sand ausspuckte und mich wieder sortierte. »Nenn sie noch mal so, und ich richte deine Zähne neu.«
»Ist das so?«, fragte er amüsiert.
»Das ist so.«
»Dann werde ich es unterlassen.« Er grinste, sprang auf und hielt mir seine Hand hin. »Ich bin Imra. Ist sie dein Weib?«, fragte er, als er mich stützte.
»Havald. Sie wird es werden.«
»Mutig.«
»Nein, Glück.«
Er lachte, klopfte den Staub von seiner Rüstung und dem Umhang und zuckte wie ich zusammen, als Steinwolke einen lauten Schrei ausstieß. Ich sah aus den Augenwinkeln die Palastwachen. Es musste hier einen besonnenen Offizier geben, denn die Soldaten waren klug genug, sich entfernt zu halten.
»Was hat sie?«, fragte ich Imra.
»Wer?«
»Steinwolke. Der Greif.«
»Ah ja. Oh, sie erklärt gerade Lasra, dass dein Weib ihre Brutschwester ist, und weist auf den Zusammenhang zwischen scharfen und kräftigen Krallen, verbeulten Außenschalen und mangelnden Flügeln hin.«
»Mangelnde Flügel?«, fragte ich.
»Steinwolke droht Lasra damit, sie über die Mauer zu werfen, und spekuliert über die Art ihrer Landung auf der anderen Seite. Sie stellt fest, dass Lasra keine Flügel hat.«
»Ich wusste nicht, dass Greifen Humor haben.«
Imra sah mich seltsam an. »Eure Steinwolke ist eindeutig kein Greif. Greifen haben tatsächlich keinen Humor.«
Ich spuckte den letzten Staub aus und musterte das, was es zu sehen hab. Steinwolke stand vor Leandra, den Kopf hoch erhoben, gestutzte Flügel gespreizt, bereit, es mit der ganzen Welt aufzunehmen. Hinter oder eher unter einem Flügel konnte ich Leandra ausmachen, die verständnislos dreinblickte. In einem Umkreis von gut sechs Schritt gab es niemanden in Steinwolkes Nähe, was ich mehr als verständlich fand. Faril half eben seiner Schwester wieder auf, die noch immer wie betäubt wirkte.
»Steinwolke ist kein Greif?«, fragte ich nach.
»Doch, irgendwie schon. Sie ist ein Königsgreif. Sie einen Greif zu nennen ist, als ob man einen Drachen als Reptil bezeichnen würde.« Imra warf mir einen Blick zu. »Sie dürfte trotzdem keinen Humor haben.«
Jemand räusperte sich hinter uns. Wir sahen nach hinten. Es waren Essera Falah und Faihlyd, die das Spektakel mit großen Augen betrachteten, neben ihnen, gespannt und für alles bereit, standen zwei Soldaten der Palastwache.
»Imra?«
»Ja?«
»Bestehst du darauf, unhöflich zu sein?«
»Nein.«
»Gut.«
Ich verbeugte mich tief vor der Essera und Faihlyd. Imra stutzte kurz, lachte leise und tat es mir nach.
»Havald«, sagte Faihlyd in einem gewissen Tonfall. »Könnt Ihr mir erklären, was hier los ist? Ich dachte, das Signal brächte Freunde, die
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