Der Herr der Puppen: Das Geheimnis von Askir 4 (German Edition)
»Jahre, wie wir Menschen sie zählen. Nicht Jahrtausende.«
»Das ist schwerlich möglich«, sagte Faril voller Unglauben. »Die Ältesten wandeln nicht mehr auf dieser Welt. Es ist undenkbar, dass Ihr in diesem Zeitalter geboren wurdet.«
»Glaubt mir, ich war ein ganz normaler Säugling«, meinte Leandra. »Das ist etwas, das ich ziemlich genau weiß.«
»Entschuldigt, Esseren«, sagte Faihlyd hinter uns. »Den Göttern ist es immer ein Wohlgefallen, wenn Missverständnisse ein Ende finden, aber bedenkt, es gibt Grund zur Eile.«
Faihlyd und Falah gingen voraus, Ziel war wohl einer jener Räume, die von der Familie für diplomatische Besprechungen genutzt wurden, jedenfalls sagte Faihlyd etwas in dieser Art. Ich ging neben Imra. »Prinz«, begann ich leise. »Entschuldigt die Frage, aber …«
»Bleiben wir bei Imra. Was ist die Frage?«
»Ich bin überrascht über das, was ich gesehen habe …«, begann ich, und er lachte leise.
»Es war anders geplant. Zuerst war da Steinwolke und dann Serafine. Dann dein Weib …« Er schüttelte den Kopf. »Es könnten ereignisreiche Jahre kommen.«
»Wie war es denn geplant?«
»Unbeteiligt und erhaben. Das ist immer gut, wenn man mit Menschen reden muss. Sie erwarten es von einem«, antwortete er. »Aber es ist schwierig, wenn man jemanden trifft, mit dem man als Kind gespielt hat.«
»Serafine?«, fragte ich. »Ihr wart auch Kinder?«
Er verlangsamte seinen Schritt etwas. »Nicht in dem Sinne, wie Ihr Kinder seht«, erklärte er mir leise. »Aber ja. Serafine war ein kleines Kind, als ich sie das erste Mal sah, und eine erwachsene Frau, die in einen Krieg zog, als ich sie das letzte Mal traf. Bei beiden Gelegenheiten war ich noch immer Kind, wie es meine Rasse sieht. Ich bin gerade zwanzig Eurer Jahre älter als Serafine, für uns ist es, als wären wir zeitgleich geboren. Wir halten uns fern von Menschen, weil sie uns so ähnlich sind und wir sie lieben können, sie aber so schnell sterben. Ich war noch zu jung, um das zu verstehen. Als ich verstand, dass ich Serafine nie wiedersehen würde, war ich nach Eurer Zählung hundertzwanzig Jahre alt und erst dann langsam erwachsen. Ich trauerte um sie, als ich es begriff.« Er musterte mich. »Ich weiß nicht, ob du das verstehen kannst, Havald. Wie es ist, wenn die, die du liebst, altern und sterben. Deswegen halten wir uns von Menschen fern und geben uns unberührbar. Jene, die wir dennoch lieben, halten wir in unseren Herzen für die Ewigkeit.«
O doch, ich verstand es gut.
»Als ich erkannte, dass es wirklich Serafine war …« Er lächelte verlegen. »Ich habe vergessen, dass ich kein Kind mehr bin.« Sein Lächeln verschwand, und ich sah wieder diese hochmütige, unbeteiligte Maske auf seinem Gesicht. »Wir können aber auch anders«, sagte er und sah mich gelangweilt an. Im nächsten Moment war sein Lächeln wieder da. »Weißt du, was wir gern tun, Havald? Wir spielen alle gern Theater, lesen und spielen die Stücke, die ihr Menschen schreibt, lachen und weinen mit euch und spielen diese ganzen Rollen. Es ist ein Spiel, doch es ist auch Ernst. Wir müssen uns von euch fern halten, auch mit unseren Gefühlen, sonst gehen wir unter. Und doch ist es so, als ob wir euch begehren würden, eifersüchtig auf euch sind. Ihr lebt so kurz, aber ihr brennt wie der hellste Stern und seid so fürchterlich leicht zu lieben. Ihr seid so leicht zu lieben, Havald, dass wir es uns nicht trauen, denn der Verlust der Liebe währt bei uns ewig. Wenn dein Weib nun doch einer Verbindung zwischen einem Elfen und einem Menschen entsprang, dann wissen wir, dass es eine Elfe gibt, die trauert. Oder eine, die hasst. Denn manchmal geschieht es, dass auch einer Elfe Gewalt angetan wird.« Er sah mich von der Seite an. »Unser Wort für Bastard ist En’shin’dira, es steht für ›in Trauer geboren‹. Dennoch treibt es uns immer wieder zu euch hin, weil ihr eine Faszination ausübt, der wir uns kaum entziehen können.«
»Bastard ist kein schönes Wort bei uns. Solltet ihr noch einmal jemandem begegnen, verwendet euer Wort«, gab ich leise zurück. »Wenn man danach fragt, wird man eure Antwort verstehen. Euer Wort ist schön.«
»Schön? Wir sprechen von Trauer, die länger hält als manches Königreich.«
»Was ist Trauer anderes als Liebe?«, fragte ich ihn.
Er sah mich seltsam an, doch er gab keine Antwort, denn wir hatten den Raum erreicht, in dem die Besprechung stattfinden sollte.
Es war Faihlyd, die mit wohlgesetzten
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