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Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)

Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)

Titel: Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John R Tolkien
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dunklen Wassern ohne Stern
    Bis in die Nacht des Nichts hinein.
    Auch diese ließ er hinter sich,
    Doch nie erblickt er unterwegs
    Der heiß ersehnten Küste Licht.
    Der Winde Wüten jagte ihn
    Geblendet durch den wilden Gischt
    Von West nach Osten willenlos
    Und nirgends freundlich angesagt.
    Da nahte Elwing sich im Flug,
    Und Licht durchflammte schwarze Nacht,
    Von ihrer Kette glomm es weiß,
    Viel heller noch als Diamant.
    Sie heftete den Silmaril
    Ans Haupt des Schiffers, krönte ihn
    Mit Licht, das nie verlöschen kann.
    Beherzt warf er das Ruder um;
    Und in der Nacht erhob sich Sturm
    Von jenseits aller Meere her.
    Es wehte frei und voller Kraft
    Ein Wind der Macht von Tarmenel:
    Auf Wasserpfaden, unbekannt
    Den Sterblichen, trieb er ihn nun
    Mit Urgewalt durch graue Flut
    Vom Osten her gen Westen hin.
    Durch Immernacht trug’s ihn zurück
    Auf tosend aufgetürmter See
    Hin über lang versunknes Land,
    Von schwarzen Fluten überrollt,
    Bis endlich er Musik vernahm
    Und an der Erde Grenzen kam,
    Wo ewig sanfter Wellenschlag
    Gold an die Perlenküste spült.
    Er sah den Berg in Dämmergrau
    Aufragend zwischen Valinor
    Und Eldamar, im Lichte noch
    Verblauen hinter ferner See.
    Ein Wanderer, der Nacht entflohn,
    Lief endlich in den Hafen ein
    Im Elbenlande weiß und grün;
    Die Luft war mild, durchsichtig-blass,
    Dem Hügel nah von Ilmarin,
    Da spiegelte die Schattensee
    Das Licht der Türme Tirions.
    Hier ruhte er von Irrfahrt aus,
    Hier lehrte man ihn Lied und Sang,
    Und alle Märchen werden laut
    Bei Harfenklang und goldnem Schall.
    Er trug ein elbenweißes Kleid,
    Ihm brannten sieben Leuchter vor,
    Als er durch’s Calacirian
    In tief verborgne Lande zog.
    In jene Hallen, wo man nicht
    Vergangenheit noch Zukunft kennt,
    Gelangte er, wo immerdar
    Der König der Altvordernzeit
    Herrscht auf dem Berg in Ilmarin.
    Von Sterblichen und Elbenvolk
    Geheime Dinge sprach man dort,
    Gesichte wurden ihm zuteil,
    Die nie ein Mensch erblicken darf.
    Sie bauten ihm ein neues Schiff
    Aus Mithril und aus Elbenglas
    Mit stolzem Bug, doch ruderlos,
    Mit Silbermast, doch ohne Tuch,
    Und Elbereth kam selbst herab:
    Sie schuf dem Schiff den Silmaril
    Zum Banner, ein lebendiges Licht,
    Ein heller Schein, der nie verblasst.
    Und Flügel gab sie ihm dazu
    Und sprach das Urteil: Jenseits Mond
    Und Sonne muss er ewig ziehn
    Durch küstenlose Himmel hin.
    Vom hohen Immerabendland,
    Wo silbern die Fontänen sprühn,
    Trug ihn die Schwinge licht hinan
    Und über das Gebirg hinweg.
    Schon sanken hinter ihm dahin
    Der Erde Grenzen, wandte er,
    Verzehrt von Sehnsucht, sich nach Haus,
    Den Weg zu suchen durch die Nacht,
    Und ganz allein, ein heller Stern,
    Weit über allen Wolken flog
    Im Morgengrauen sonnenwärts
    Dies Licht, ein Wunder anzuschaun.
    Schon sah er Mittelerde weit,
    Weit unter sich, schon hörte er
    Die Frauen der Altvordernzeit
    Und Elbenmaiden klagen laut.
    Ihm aber war es auferlegt,
    Am Himmel seine Bahn zu ziehn,
    Solange bis der Mond verblasst,
    Und nie am Ufer dieser Welt
    Zu rasten bei den Sterblichen,
    Ein Herold, seinem Auftrag treu,
    Das Licht zu tragen durch die Zeit,
    Der Flammifer der Westernis.
    Der Gesang war zu Ende. Frodo schlug die Augen auf und sah Bilbo auf seinem Schemel sitzen, umringt von Zuhörern, die lächelten und applaudierten.
    »Das würden wir gerne noch ein zweites Mal hören«, sagte ein Elb. Bilbo stand auf und machte eine Verbeugung. »Du schmeichelst mir, Lindir«, sagte er, »aber es wäre zu ermüdend, alles zu wiederholen.«
    »Nicht für dich«, frotzelten die Elben. »Deine eigenen Verse aufzusagen, wirst du nie müde. Doch wenn wir es nur einmal gehört haben, können wir deine Frage nicht beantworten.«
    »Wie?«, rief Bilbo. »Ihr könnt nicht sagen, welche Teile von mir sind und welche von dem Dúnadan?«
    »Der Unterschied zwischen zwei Sterblichen ist für uns nicht leicht zu erkennen«, sagte der Elb.
    »Unsinn, Lindir!« schimpfte Bilbo. »Wenn du einen Menschen nicht von einem Hobbit unterscheiden kannst, steht es um dein Urteilsvermögen schlechter, als ich dachte. Wir sind so verschieden wie Erbsen von Äpfeln.«
    »Mag sein. Für das Schaf ist jedes Schaf ein anderes«, spöttelte Lindir. »Und vielleicht auch für den Schäfer. Doch die Sterblichen haben wir kaum erforscht. Wir haben anderes zu tun.«
    »Ich will nicht mit dir streiten«, sagte Bilbo. »Schlaf überkommt mich nach so viel Musik und Gesang. Ratet nur weiter, wenn ihr wollt.«
    Er stand auf und kam zu Frodo.

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