Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
kommen könnten, wenn der Hauptschlag von Osten näher rückt. Aber Verrat ist eine gefährliche Waffe auch für die Hand, die sie führt. Auch Saruman hatte im Sinn, den Ring für den eigenen Gebrauch an sich zu bringen oder wenigstens ein paar Hobbits in die Hände zu bekommen, die zu seinen üblen Absichten dienlich sein könnten. So haben unsere Feinde zusammen nur erreicht, dass Merry und Pippin mit unglaublicher Schnelligkeit und genau im rechten Augenblick zum Fangorn befördert wurden, wo sie sonst nie hingekommen wären.
Außerdem sind die Feinde nun voller Zweifel, die ihre Pläne stören. Von der Schlacht hier wird keine Nachricht nach Mordor gelangen, dank den Reitern von Rohan; doch weiß der Dunkle Herrscher, dass zwei Hobbits in den Emyn Muil gefangen genommen und gegen den Willen seiner Diener nach Isengard verschleppt wurden. Er hat nun Isengard ebenso wie Minas Tirith zu fürchten. Wenn Minas Tirith fällt, wird es Saruman übel ergehen.«
»Nur schade, dass unsere Freunde sich zwischen beiden Ländern befinden«, sagte Gimli. »Wenn Isengard und Mordor aneinander grenzten, könnten wir zuschauen, wie sie sich bekämpfen, und unsererseits abwarten.«
»Der Sieger würde aus dem Kampf stärker hervorgehen, als jetzt beide zusammen sind, und er würde keine Bedenken mehr kennen«, sagte Gandalf. »Aber Isengard kann es mit Mordor nicht aufnehmen, es sei denn, Saruman hätte den Ring. Den wird er nun niemals bekommen. Er weiß noch nicht, in welcher Gefahr er schwebt. Und es gibt noch einiges mehr, das er nicht weiß. Er brannte so sehr darauf, die Beute in die Hand zu bekommen, dass er es nicht abwarten konnte, sondern seinen Abgesandten hierher entgegenkam, um ein Auge auf sie zu haben. Doch diesmal kam er zu spät. Die Schlacht war vorüber, als er den Schauplatz erreichte, und er konnte nichts mehr ausrichten. Er ist nicht lange hier geblieben. Ich blicke ihm ins Herz und sehe seine Unsicherheit. Er hat keine Macht über den Wald. Er glaubt, dass die Reiter alle ihre Feinde auf dem Schlachtfeld getötet und verbrannt haben; aber er weiß nicht, ob die Orks Gefangene mitbrachten oder nicht. Er weiß nichts von dem Streit zwischen seinen Leuten und den Orks in Mordors Diensten; und er weiß auch nichts von dem geflügelten Boten.«
»Der geflügelte Bote!«, rief Legolas. »Den hab ich bei Sarn Gebir mit Galadriels Bogen vom Himmel geholt. Angst machte er uns allen. Welch neues Schrecknis war dies?«
»Eines, das du nicht mit Pfeilen erlegen kannst«, sagte Gandalf. »Du hast nur sein Reittier erschossen. Es war eine gute Tat, doch der Reiter hatte bald wieder ein neues. Denn er war ein Nazgûl, einer von den Neun, die nun auf geflügelten Rossen reiten. Bald wird ihr Schatten die letzten Heere unserer Freunde in Schreckenversetzen und die Sonne verfinstern. Aber noch ist ihnen nicht erlaubt, den Strom zu überqueren, und Saruman weiß nichts von dieser neuen Gestalt, in die die Ringgeister gekleidet sind. Er denkt immer nur an den Ring. War er auf dem Schlachtfeld? Wurde er gefunden? Was, wenn Théoden, der Herr der Mark, in seinen Besitz gelangte und von seiner Macht Kenntnis bekäme? Das ist die Gefahr, die er sieht, und nun ist er nach Isengard zurückgeeilt, um die Wucht seines Angriffs auf Rohan zu verdoppeln und zu verdreifachen. Und währenddessen droht ihm eine andere Gefahr, gleich vor seiner Tür, doch die sieht er nicht, so sehr schwirrt ihm der Kopf vor hitzigen Gedanken. Er hat Baumbart vergessen.«
»Jetzt sprichst du wieder mit dir selbst«, sagte Aragorn lächelnd. »Einen Baumbart kenne ich nicht. Und worin Sarumans doppelter Verrat besteht, habe ich nun halbwegs begriffen, nicht aber, wozu es gut sein soll, dass die zwei Hobbits in den Fangornwald kamen, abgesehen von der langen und ergebnislosen Hetzjagd, zu der es uns gezwungen hat.«
»Moment mal!«, rief Gimli. »Da ist noch etwas, das ich gern wüsste. Warst du es, Gandalf, oder war es Saruman, den wir gestern Nacht gesehen haben?«
»Mich habt ihr mit Sicherheit nicht gesehen«, antwortete Gandalf; »also muss ich annehmen, dass es Saruman war. Offenbar sehen wir uns so ähnlich, dass deine böse Absicht, mir den Hut zu zerfetzen, entschuldigt werden muss.«
»Schon gut!«, sagte Gimli. »Ich bin nur froh, dass du es nicht warst.«
Gandalf lachte wieder. »Ja, mein lieber Zwerg, es ist doch ein Trost, sich nicht in jeder Hinsicht geirrt zu haben. Als ob ich selbst das nicht allzu gut wüsste! Aber natürlich hab ich
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