Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
ich nicht sicher, ob ich dich recht verstehe. Aber wie hast du all dies über den Ring erfahren und über Gollum? Weißt du das wirklich alles, oder sind es noch Vermutungen?«
Mit funkelnden Augen sah ihn der Zauberer an. »Ich wusste schon viel und habe noch mehr dazugelernt«, antwortete er. »Aberich denke nicht daran, dir von allem Rechenschaft zu geben, was ich tue. Die Geschichte Elendils und Isildurs und des Einen Rings ist allen Weisen bekannt. Dass dein Ring der Eine ist, zeigt allein schon die Flammenschrift, von allen anderen Beweisen ganz abgesehen.«
»Und wann hast du das herausgefunden?«, unterbrach ihn Frodo. »Jetzt eben natürlich, in diesem Zimmer«, antwortete der Zauberer scharf. »Aber ich hatte erwartet, die Schrift vorzufinden. Ich bin von finsteren Orten und einer langen Suche zurückgekehrt, um diese letzte Probe zu machen. Sie hat den endgültigen Beweis erbracht, und nun ist alles nur allzu deutlich. Sich über Gollums Anteil an der Sache klar zu werden und die Lücke in der Geschichte damit auszufüllen erforderte einiges Nachdenken. Zuerst hatte ich nur Vermutungen über Gollum. Jetzt aber vermute ich nicht mehr, ich weiß es. Ich habe ihn gesehen.«
»Du hast Gollum gesehen?«, rief Frodo erstaunt.
»Ja. Es lag natürlich auf der Hand, dass ich mit ihm sprechen müsste, wenn es ginge. Ich habe lange nach ihm gesucht und ihn endlich auch gefunden.«
»Was ist also geschehen, nachdem Bilbo ihm entwischt war? Weißt du’s?«
»Nicht ganz so genau. Was ich dir erzählt habe, ist nur, was Gollum mir zu sagen bereit war – und selbstverständlich nicht so, wie ich es dir berichtet habe. Gollum ist ein Lügner, und seine Worte muss man sieben. Zum Beispiel sagte er, der Ring sei sein ›Geburtstagsgeschenk‹, und dabei blieb er. Er habe ihn von seiner Großmutter bekommen, die noch viel Schönes dergleichen besessen habe – eine lächerliche Geschichte. Ich bezweifle nicht, dass Sméagols Großmutter eine Matriarchin gewesen ist, eine großartige alte Dame auf ihre Weise, aber dass sie viele Elbenringe besessen haben könnte, ist Unsinn, und dass sie die verschenkt haben soll, war eine Lüge. Aber eine Lüge mit einem Körnchen Wahrheit.
Der Mord an Déagol lag Gollum schwer auf der Seele, und er hatte sich eine Entschuldigung zurechtgelegt, die er seinem ›Schatz‹immer von neuem wiederholte, während er im Finstern seine Fischgräten abnagte, so lange, bis er beinahe selbst daran glaubte. Es war sein Geburtstag gewesen, und Déagol hätte ihm den Ring schenken müssen. Offenbar war der Ring nur aufgetaucht, um ihm zum Geschenk gemacht zu werden. Darum war er sein Geburtstagsgeschenk, und so weiter.
Ich hörte mir das alles an, solange ich konnte, aber die Wahrheit war ungeheuer wichtig, und zuletzt musste ich andere Saiten aufziehn. Ich machte ihm mit Feuer Angst und presste tröpfchenweise, unter viel Gewimmer und Zähnefletschen, die Wahrheit aus ihm heraus. Er fühlte sich missverstanden und misshandelt. Aber als er mir schließlich seine Geschichte bis zum Ende des Rätselwettstreits und Bilbos Flucht erzählt hatte, da sagte er weiter nichts mehr, bis auf ein paar dunkle Andeutungen. Vor irgendetwas hatte er noch mehr Angst als vor mir. Er brabbelte etwas davon, dass er sich sein Eigentum schon zurückholen werde. Man werde ja noch sehen, ob er es sich gefallen ließe, herumgestoßen, in ein Loch gejagt und dann ausgeraubt zu werden. Er habe jetzt gute Freunde, gute und sehr starke, und die würden ihm helfen. Dem Beutlin werde er’s noch heimzahlen! Das war sein alles beherrschender Gedanke. Gollum hasste Bilbo und verfluchte seinen Namen. Und obendrein wusste er, wo Bilbo herkam.«
»Aber wie hat er das herausgefunden?«, fragte Frodo.
»Nun, seinen Namen hatte Bilbo selbst dummerweise schon verraten, und dann kann es nicht mehr schwer gewesen sein, nachdem Gollum wieder herausgekommen war, in Erfahrung zu bringen, welches Land Bilbos Heimat war. Denn ja, er kam heraus. Sein Verlangen nach dem Ring erwies sich als stärker als seine Furcht vor den Orks, stärker sogar als die Furcht vor dem Licht. Nach ein, zwei Jahren ging er fort aus den Bergen. Du siehst, an den Ring war er zwar noch immer durch das Verlangen nach ihm gebunden, aber er wurde nicht mehr von ihm verzehrt; er lebte wieder ein bisschen auf. Er fühlte sich alt, furchtbar alt, aber er war nicht mehr so ängstlich, und er hatte einen Bärenhunger.
Licht, ob von Sonne oder Mond, scheute und hasste er
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