Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
denn je.
Und dies nun ist die furchtbare Gefahr, Frodo. Bisher glaubte er, den Einen gebe es nicht mehr, weil die Elben ihn vernichtet hätten – und das hätten sie auch tun sollen. Aber nun weiß er, der Eine ist nicht aus der Welt, er ist gefunden worden. Darum sucht und fahndet er nach ihm, und alle seine Gedanken zielen auf ihn. Dass er ihn findet, ist seine größte Hoffnung und unsere schlimmste Befürchtung.«
»Warum, warum nur wurde der Ring nicht vernichtet?«, rief Frodo. »Und wie konnte der Feind ihn überhaupt verlieren, wenn er so stark und der Ring ihm so teuer war?« Er umklammerte den Ring in der Hand, als sähe er schon schwarze Finger nach ihm ausgestreckt.
»Er wurde ihm genommen«, sagte Gandalf. »Die Kraft der Elben, ihm zu widerstehen, war einst größer; und noch nicht alle Menschen waren ihnen fremd geworden. Die Menschen von Westernis kamen ihnen zu Hilfe. Das ist ein Kapitel alter Geschichte, das in Erinnerung zu rufen nützlich wäre; denn auch damals herrschte Leid, und Finsternis breitete sich aus, aber sie wurden tapfer bekämpft, und große Taten wurden vollbracht, die nicht ganz vergebens waren. Vielleicht erzähle ich dir eines Tages die ganze Geschichte, oder du hörst sie in aller Ausführlichkeit von einem, der sie am besten kennt.
Aber einstweilen, da du vor allem wissen musst, wie das Ding an dich gekommen ist, und auch da gibt es schon genug zu berichten, will ich nur soviel sagen: Es waren Gil-galad, der Elbenkönig, und Elendil von Westernis, die Sauron niederwarfen, obwohl sie selbst dabei den Tod fanden; und Isildur, Elendils Sohn, schnitt Sauron den Ring von der Hand und nahm ihn zu Eigen. Sauron war bezwungen, und sein Geist suchte das Weite und musste sich viele Jahre verstecken, bis sein Schatten im Düsterwald wieder Gestalt annahm.
Doch der Ring ging verloren. Er fiel in den Großen Strom, den Anduin, und war verschwunden. Denn Isildur marschierte am östlichen Ufer entlang nach Norden, und bei den Schwertelfeldern lauerten ihm die Orks aus dem Gebirge auf, und fast alle in seinem Gefolge fielen. Er sprang ins Wasser, aber beim Schwimmen glitt ihm der Ring vom Finger. Da sahen ihn die Orks und erschossen ihn mit Pfeilen.«
Gandalf hielt inne. »Und dort, in den dunklen Tümpeln auf den Schwertelfeldern, verschwand der Ring aus der Geschichte und aus den Sagen; und selbst das Wenige, das ich dir erzähle, ist nur Wenigen bekannt. Mehr konnte der Rat der Weisen nicht herausfinden. Aber ich kann die Geschichte nun endlich weitererzählen, denke ich.
Viel später, aber immer noch vor langer Zeit, lebte an den Ufern des Großen Stroms am Rande von Wilderland ein Volk von kleinen Leuten mit geschickten Händen und leisen Füßen. Ich nehme an, sie waren vom Hobbitschlag, vielleicht verwandt mit den Stammvätern der Starren, denn sie liebten das Wasser und schwammen oft im Strom oder bauten sich kleine Boote aus Schilf. Unter ihnen gab es eine Familie von hohem Ansehen, größer und reicher als die meisten anderen, und die ganze Sippe gehorchte einer Großmutter, einer gestrengen Frau, bewandert in den Überlieferungen, die sich bei ihnen erhalten hatten. Der unruhigste und wissbegierigste Geist in dieser Familie hieß Sméagol. Er interessierte sich für die Wurzeln und Anfangsgründe der Dinge. Er tauchte in tiefe Teiche, wühlteunter Bäumen und Pflanzen, grub Stollen in grüne Anhöhen hinein; er kümmerte sich nicht mehr um die Hügelkuppen, das Laub an den Bäumen oder die Blüten, wenn sie sich im Licht öffneten: Sein Kopf war vorgebeugt, sein Blick abwärts gerichtet.
Er hatte einen Freund namens Déagol, von ähnlicher Geistesart, mit schärferem Blick, doch weniger flink und stark. Einmal fuhren sie mit einem Boot in die Schwertelfelder hinaus, wo große Flächen mit Schwertlilien und blühenden Riedgräsern bewachsen waren. Dort stieg Sméagol aus und stöberte an den Ufern herum, während Déagol im Boot sitzen blieb und angelte. Plötzlich biss ein großer Fisch an, und ehe er wusste, wie ihm geschah, wurde er ins Wasser gerissen und bis auf den Grund hinabgezogen. Dort ließ er die Leine los, denn er glaubte, etwas glänzen zu sehen, hielt die Luft an und griff danach.
Er kam prustend wieder hoch, mit Wasserpflanzen im Haar und mit einer Hand voll Schlamm, und er schwamm ans Ufer. Und siehe da, als er den Schlamm weggespült hatte, lag ein schöner goldener Ring in seiner Hand, und der glänzte und glitzerte in der Sonne, dass Déagol das Herz
Weitere Kostenlose Bücher