Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
der Macht gegeben, von denen sie aufgezehrt wurden: Lebende Geister seien sie geworden, entsetzlich und böse. Nach seinem Fortgang eroberten sie Minas Ithil und hausten dort; und seither herrschen in der Stadt und im Tal ringsum Verfall und Verwesung: Leer scheint es zu sein und ist es doch nicht, denn ein gestaltloses Grauen nistet in den Trümmern. Neun Fürsten waren sie, und nach der Wiederkehr ihres Herrn, die sie insgeheim vorbereiten halfen, wurden sie noch stärker. Dann brachen die Neun Reiter aus den Toren des Schreckens, und wir konnten ihnen nicht widerstehen. Komm ihrer Burg nicht zu nahe! Du wirst erspäht. Die Tücke an diesem Ort schläft niemals, er ist voller lidloser Augen. Geh nicht dorthin!«
»Doch welchen anderen Weg kannst du mir weisen?«, sagte Frodo. »Du selbst, sagst du, kannst mich nicht bis zu den Bergen geleiten und erst recht nicht über sie hinweg. Aber über die Berge, wie ich dem Rat feierlich gelobt habe, muss ich einen Weg finden; oder ich werde auf der Suche nach ihm umkommen. Und wenn ich nun umkehrte und mich weigerte, den Weg bis zum bitteren Ende zu gehen, wohin sollte ich mich dann wenden unter den Elben oder Menschen? Würdest du dir wünschen, dass ich mit diesem Ding nach Gondor komme, das schon deinen Bruder vor Begierde wahnsinnig machte? Wie würde es Minas Tirith behexen? Sollen sich zwei Städte wie Minas Morgul über ein totes, verpestetes Land hinweg angrinsen?«
»Das würde ich nicht wollen«, sagte Faramir.
»Was würdest du dann wollen, dass ich tue?«
»Ich weiß nicht. Nur, dass du nicht in den Tod rennst oder in die Folter. Und ich glaube nicht, dass Mithrandir diesen Weg gewählt hätte.«
»Aber weil er nicht mehr da ist, muss ich die Wege nehmen, die ich finde. Und viel Zeit, zu suchen, bleibt mir nicht«, sagte Frodo.
»Es ist ein hartes Schicksal und eine Fahrt ohne Hoffnung«, sagte Faramir. »Doch bleib wenigstens eingedenk meiner Warnung: Hüte dich vor deinem Führer, diesem Sméagol! Es wäre nicht sein erster Mord. Ich kann es in ihm lesen.« Er seufzte. »Nun, so sind wir uns begegnet, und so müssen wir uns trennen, Frodo, Drogos Sohn. Dir nützen keine trostreichen Reden: Ich habe keine Hoffnung, dich eines andern Tags unter dieser Sonne wiederzusehn. Aber wenn du gehst, nimm meinen Segen mit dir, für dich und all dein Volk. Jetzt ruht noch ein Weilchen, bis das Frühstück für euch bereitsteht!
Gern wüsste ich noch, wie dieser Schleicher von Sméagol in den Besitz des Dings gelangt ist, von dem wir sprachen, und wie er es verloren hat; doch damit will ich dich jetzt nicht behelligen. Wenn du wider Erwarten jemals in die Lande der Lebenden zurückkehrst und wir uns alles noch einmal erzählen, in der Sonne an einer Mauersitzend und lachend über alten Kummer, dann sollst du’s mir erzählen. Bis zu jenem Tag oder zu einem andern, wo selbst der Blick der Sehenden Steine von Númenor nicht hinreicht, lebe wohl!«
Er stand auf, verbeugte sich tief vor Frodo und schritt, den Vorhang aufziehend, in die Höhle hinaus.
SIEBENTES KAPITEL
WANDERUNG ZUR WEGSCHEIDE
F rodo und Sam ruhten noch eine Weile still in ihren Betten, während die Männer allmählich munter wurden und die Tagesgeschäfte begannen. Bald brachte man ihnen Waschwasser, und dann wurden sie zu einem Tisch geführt, auf dem eine Mahlzeit für drei angerichtet war. Faramir frühstückte mit ihnen. Er hatte die ganze Nacht nicht geschlafen und sah doch nicht müde aus.
Als sie fertig waren, standen sie auf. »Hunger sollt ihr unterwegs nicht leiden«, sagte Faramir. »Ihr habt nicht viel Vorrat, und ich habe etwas Wegzehrung in euren Rucksäcken verstauen lassen. An Wasser wird es euch in Ithilien nicht mangeln, aber trinkt aus keinem Bach, der vom Imlad Morgul herabfließt, dem Tal des lebenden Todes. Und noch etwas muss ich euch sagen. Meine Späher und Kundschafter sind sämtlich zurückgekehrt, und einige hatten sich sogar bis auf Sichtweite ans Morannon herangeschlichen. Sie alle melden etwas Sonderbares: Das Land liegt verlassen. Keine Bewegung auf der Straße, nirgendwo Schritte, Hornsignale oder Bogenschwirren zu hören. Eine lauernde Stille liegt über dem Namenlosen Land. Ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat. Aber der Tag einer großen Entscheidung rückt rasch näher. Ein Sturm zieht herauf. Beeilt euch! Wenn ihr fertig seid, gehn wir! Die Sonne steigt bald über den Schatten auf.«
Den Hobbits wurden ihre Rucksäcke gebracht (etwas schwerer als vordem),
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