Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
kleines Taschenmesser aus dem Gürtel und reichte es Frodo. Gollum missverstand die Geste und ließ sich kreischend zu Boden sinken.
»Schon gut, Sméagol!«, sagte Frodo. »Vertrau mir doch! Ich lass dich nicht im Stich. Antworte wahrheitsgetreu, wenn du kannst! Es wird dir guttun und nicht schaden.« Er durchschnitt die Hand- und Fußfesseln und half Gollum wieder auf die Beine.
»Komm hierher!«, sagte Faramir. »Sieh mich an! Weißt du, wie dieser Ort heißt? Bist du hier schon früher gewesen?«
Langsam, widerstrebend hob Gollum den Kopf und sah Faramir an. Alles Licht in seinen Augen erlosch, und sie begegneten blass und stumpf für einen Moment dem klaren und festen Blick des Menschen von Gondor. Es wurde totenstill. Dann ließ Gollum den Kopf sinken und schien in sich zusammenzuschrumpfen, bis er zitternd auf dem Boden hockte. »Wir wissen nichts und wollen nichts wissen«, wimmerte er. »Nie hier gewesen, nie wieder herkommen.«
»In deinem Geist gibt es verriegelte Türen und geschlossene Fenster, und dahinter sind dunkle Kammern«, sagte Faramir. »Doch in diesem Punkt, so erkenne ich, sprichst du die Wahrheit. Dein Glück! Mit welchem Eid willst du beschwören, nie zurückzukehren und keine lebende Kreatur durch Wort oder Zeichen hierher zu führen?«
»Der Herr weiß es«, sagte Gollum mit einem Seitenblick zu Frodo. »Ja, er weiß. Wir versprechen es dem Herrn, wenn er uns rettet. Wir versprechen auf IHN , ja!« Er kroch Frodo zu Füßen. »Rette uns, guter Master!«, winselte er. »Sméagol verspricht beim Schatz,verspricht treulich. Kommt nie wieder, sagt kein Wort, nie und nimmer! Nein, Schatz, nein!«
»Genügt dir das?«, sagte Faramir.
»Ja«, sagte Frodo. »Jedenfalls musst du entweder sein Versprechen annehmen oder nach deinem Gesetz verfahren. Mehr Sicherheit kannst du nicht erlangen. Aber ich hatte versprochen, dass ihm nichts geschehen werde, wenn er zu mir komme. Und ich würde nicht gern wortbrüchig.«
Faramir bedachte sich einen Augenblick. »Sehr gut«, sagte er dann. »Ich überlasse dich deinem Herrn, Frodo, Drogos Sohn. Möge er verfügen, was mit dir geschehen soll!«
»Aber, Herr Faramir«, sagte Frodo und machte eine Verbeugung, »du hast noch nicht verfügt, was mit besagtem Frodo geschehen soll, und solange dein Beschluss dazu nicht bekanntgegeben ist, kann er keine Pläne für sich und seine Gefährten machen. Du hast dein Urteil bis zum Morgen vertagt, doch nun wird es schon hell.«
»Dann will ich meinen Spruch fällen«, sagte Faramir. »Was dich betrifft, Frodo, so gewähre ich dir, so weit meine Befugnisse reichen, die Erlaubnis, dich im Reiche Gondor bis zu den entferntesten seiner alten Grenzen frei zu bewegen; mit dem einzigen Vorbehalt, dass weder dir noch einem deiner Begleiter erlaubt ist, ungebeten an diesen Ort zurückzukehren. Dieses Urteil gilt für ein Jahr und einen Tag und erlischt dann, es sei denn, du erscheinst vor Ablauf der Frist in Minas Tirith vor dem Herrn der Stadt. Dann werde ich ihn bitten, meine Entscheidung zu bestätigen und ihr lebenslange Geltung zu verleihen. In der Zwischenzeit soll jeder, der unter deinem Schutz steht, auch meinen Schutz und den Schutz von Gondor genießen. Bist du zufrieden?«
Frodo verbeugte sich tief. »Ich bin zufrieden«, antwortete er, »und stelle mich in deinen Dienst, wenn das für einen so hohen und ehrenwerten Herrn irgend von Wert sein kann.«
»Es ist von großem Wert«, sagte Faramir. »Und nimmst du nun diese Kreatur, diesen Sméagol unter deinen Schutz?«
»Ja, ich nehme Sméagol unter meinen Schutz«, sagte Frodo. Samseufzte hörbar, und nicht wegen der vielen Höflichkeitsfloskeln, an denen er im Gegenteil, wie alle Hobbits, großen Gefallen fand. Überhaupt hätte eine solche Verhandlung daheim im Auenland noch sehr viel mehr Worte und Verbeugungen erfordert.
»Dann gilt für dich«, sagte Faramir zu Gollum, »dass du zum Tode verurteilt bist; aber solange du mit Frodo gehst, soll dir von unserer Seite nichts geschehen. Wirst du aber jemals von einem Menschen aus Gondor ohne Frodo umherstreunend angetroffen, so soll das Urteil vollstreckt werden. Und möge der Tod dich rasch ereilen, ob in Gondor oder anderswo, wenn du ihm nicht treu dienst. Nun antworte mir: Wohin willst du gehen? Du warst sein Führer, sagt er. Wohin wolltest du ihn führen?« Gollum gab keine Antwort.
»Dies darf nicht geheim bleiben«, sagte Faramir. »Antworte, oder ich stoße mein Urteil um!« Gollum sagte immer noch
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