Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
nichts.
»Ich werde an seiner statt antworten«, sagte Frodo. »Er hat mich zum Schwarzen Tor geführt, wie ich verlangt hatte; aber es war unpassierbar.«
»Ein offenes Tor ins namenlose Land gibt es nicht«, sagte Faramir.
»Als wir das sahen, wichen wir seitwärts aus und gingen an der Südstraße entlang«, fuhr Frodo fort, »denn er sagte, dort gebe es, oder gebe es vielleicht, einen Pfad in der Nähe von Minas Ithil.«
»Minas Morgul«, sagte Faramir.
»Ich weiß es nicht genau«, sagte Frodo, »aber der Pfad soll an der Nordseite des Tals, in dem die alte Stadt steht, in die Berge hinaufführen, bis zu einer hohen Spalte und dann hinunter in … in das Gebiet jenseits der Berge.«
»Weißt du, wie dieser Gebirgspass heißt?«, sagte Faramir.
»Nein.«
»Er heißt Cirith Ungol.« Gollum zischte, als er den Namen hörte, und begann, in sich hineinzubrabbeln. »Ist das nicht der Name?«, sagte Faramir, zu ihm gewandt.
»Nein!«, sagte Gollum, und dann kreischte er, wie wenn ihn etwas gestochen hätte. »Ja, ja, wir haben den Namen einmal gehört. Aberwas kümmert uns der Name? Der Herr sagt, er muss hinein. Also müssen wir es irgendwo versuchen. Gibt keinen andern Weg, nein.«
»Keinen andern Weg?«, sagte Faramir. »Woher weißt du das? Und wer hätte alle Grenzen dieses dunklen Reiches ausgekundschaftet?« Er sah Gollum lange und nachdenklich an. Dann nahm er wieder das Wort. »Schaff diese Kreatur weg, Anborn! Behandle ihn gut, aber pass auf ihn auf! Und du, Sméagol, versuche nicht, in den Wasserfall zu springen! Die Felsen dort haben Zähne, die dir ein vorzeitiges Ende bereiten würden. Lass uns jetzt allein, und vergiss deinen Fisch nicht!«
Anborn ging hinaus, und Gollum schlich mit eingezogenem Kopf vor ihm her. Der Vorhang vor der Nische wurde zugezogen.
»Frodo, ich glaube, du handelst hier sehr unklug«, sagte Faramir. »Du solltest nicht mit dieser Kreatur gehen. Sie ist bösartig.«
»Nein, nicht ganz und gar bösartig«, sagte Frodo.
»Vielleicht nicht ganz«, sagte Faramir, »aber die Bosheit frisst den Kerl von innen auf wie ein Krebsgeschwür und wächst in ihm. Wo er dich hinführt, da erwartet dich nichts Gutes. Wenn du dich von ihm trennen willst, gebe ich ihm freies Geleit und lasse ihn an jeden Punkt von Gondors Grenzen bringen, den er nur nennen mag.«
»Er würde es nicht annehmen«, sagte Frodo. »Er würde mir weiter folgen, wie er es schon seit langem tut. Und ich habe mehrere Male versprochen, ihn unter meinen Schutz zu nehmen und dahin zu gehen, wohin er mich führt. Du verlangst doch nicht von mir, dass ich mein Wort breche?«
»Nein«, sagte Faramir. »Aber mein Herzenswunsch wäre es. Denn es scheint weniger falsch zu sein, einem andern zum Treubruch zu raten, als ihn selbst zu begehen, besonders wenn ein Freund unwissentlich sein Wort zum eigenen Schaden verpfändet hat. Doch nein – wenn er mit dir gehen will, wirst du ihn nun wohl ertragen müssen. Aber ich glaube nicht, dass du durch dein Wort gehalten bist, nach Cirith Ungol zu gehen, wovon er dir weniger gesagt hat,als er weiß. So weit zumindest habe ich ihn durchschaut. Geh nicht nach Cirith Ungol!«
»Wohin soll ich dann gehn?«, sagte Frodo. »Zurück zum Schwarzen Tor und mich den Wachen ausliefern? Was weißt du von diesem Pass, das seinen Namen so schrecklich macht?«
»Nichts Gewisses«, sagte Faramir. »Wir aus Gondor dringen in diesen Tagen nicht mehr über die Straße hinaus nach Osten vor. Keiner von uns jüngeren Männern hat das je getan; und ins Schattengebirge hat keiner von uns je den Fuß gesetzt. Von dort wissen wir nur aus alten Erzählungen und Gerüchten aus verflossenen Zeiten. Doch an den Pässen oberhalb von Minas Morgul haust irgendein dunkles Schrecknis. Alte Männer und Schriftgelehrte erbleichen und verstummen, wenn nur der Name Cirith Ungol genannt wird.
Das Tal um Minas Morgul ist vor sehr langer Zeit dem Bösen anheimgefallen, und es war ein Ort des Grauens und der Gefahr schon, als der vertriebene Feind noch fern und Ithilien zum größten Teil in unserer Hand war. Wie du weißt, war diese Stadt einst eine Festung, stolz und prächtig, Minas Ithil, die Zwillingsschwester unserer Stadt. Aber sie wurde von üblen Menschen eingenommen, die sich der Feind während seiner früheren Herrschaft gefügig gemacht hatte und die nach seinem Sturz heimat- und herrenlos umherstreiften. Es heißt, ihre Fürsten seien dem Bösen verfallene Númenórer gewesen; ihnen habe der Feind Ringe
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