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Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)

Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)

Titel: Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John R Tolkien
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loderte silbern auf, ein kleines Herz aus blendendem Licht, als wäre Earendil selbst mit dem letzten Silmaril an der Stirn von den hohen westlichen Bahnen herabgestiegen. Die Dunkelheit wich zurück, bis die Phiole in der Mitte einer luftigen Kristallkugel zu leuchten und die Hand, die sie hielt, weiße Funken zu sprühen schien.
    Voll Erstaunen blickte Frodo auf das wunderbare Geschenk, das er so lange bei sich getragen hatte, ohne seinen Wert und seine Kraft ganz zu ermessen. Selten nur hatte er sich unterwegs daran erinnert, bevor sie ins Morgultal kamen, und aus Angst, dass sein Licht sie verraten könnte, hatte er es nie gebraucht. »Aiya Earendil Elenion Ancalima!«, rief er aus, ohne zu wissen, was er sagte; denn eine andere Stimme schien aus seinem Munde zu sprechen, klar und unbehindert von der üblen Luft in der Höhle.
    Aber noch andere Mächte walten in Mittelerde, Mächte der Nacht, alt und stark. Und SIE , die in der Finsternis umging, hatte schon einst in den Tiefen der Zeit die Elben diesen Ruf ausstoßen gehört; und so wie er sie damals nicht geschreckt hatte, schreckte er sie auch jetzt nicht. Noch während er die Worte rief, fühlte Frodo sich umsponnen von einer großen Tücke und Maß genommen von einem mörderischen Blick. In geringer Entfernung, zwischen ihnen und der Öffnung in der Stollenwand, wo sie gestürzt und getaumelt waren, wurde ein Augenpaar sichtbar, zwei große traubenförmige Augen mit vielen Facetten: Wenigstens bekam der nahende Schrecken nun ein Gesicht. Die Strahlen des Sternglases brachen sich in den tausend Facetten und wurden zurückgeworfen, doch hinter dem Geglitzer begann nun inwendig ein fahles, tödliches Feuer zu glühen, ein stetiges Glühen, das in einem Abgrund böser Gedanken entfacht sein musste. Ungeheure, abscheuliche Augen waren es, tierisch und doch zielgerichtet, und mit hämischer Freude weideten sie sich am Anblick der Opfer, die ohne jede Hoffnung auf Entkommen in der Falle steckten.
    Fassungslos vor Entsetzen begannen Frodo und Sam langsam zurückzuweichen, während die fürchterlichen Glotzaugen ihren Blick festhielten und ihnen Schritt für Schritt nachrückten. Frodos Hand zitterte, und langsam ließ er die Phiole sinken. Dann, plötzlich aus dem Bann entlassen, weil die Augen sich für ein Weilchen an der Vergeblichkeit ihrer panischen Fluchtversuche ergötzen wollten, drehten sie sich um und rannten zusammen davon; doch als Frodo im Laufen hinter sich blickte, sah er mit Schrecken, dass die Augen in großen Sätzen hinter ihnen herkamen. Der tödliche Dunst hüllte ihn schon wie eine Wolke ein.
    »Bleib stehn!«, rief er verzweifelt. »Weglaufen nützt nichts.«
    Die Augen krochen näher und näher.
    »Galadriel!«, rief er, fasste sich ein Herz und hob wieder die Phiole empor. Die Augen hielten an. Für einen Moment zerstreute sich ihr Blick, als trübte sie der Anflug eines Zweifels. In Frodo flammte Wut auf, und ohne zu bedenken, was er tat, ob es Tollheit, Verzweiflung oder Mut war, nahm er die Phiole in die linke Hand und zog mit der rechten sein Schwert. Blitzend im silbernen Licht fuhr die scharfe Elbenklinge aus der Scheide, und an ihren Schneiden flackerte ein blaues Feuer. Das Sternglas hoch erhoben und das blanke Schwert vorgestreckt, ging Herr Frodo Beutlin aus dem Auenland festen Schritts den Augen entgegen.
    Sie blinzelten. Besorgnis trat in sie, als das Licht näher kam. Eines nach dem andern trübten sich die vielen Facetten, und langsam zogen sie sich zurück. Nie zuvor hatte eine so schmerzhafte Helligkeitsie gequält. Vor Sonne, Mond und Sternen waren sie in ihrer Höhle sicher gewesen, aber nun schien ein Stern unter die Erde herabgestiegen zu sein. Immer noch kam er näher, und die Augen hielten ihm nicht stand. Eines nach dem andern erloschen sie und wandten sich ab; dann warf ein großer Rumpf außer Reichweite des Lichts seinen schweren Schatten dazwischen. Die Augen waren verschwunden.
    »Master, Master!«, rief Sam. Er stand dicht hinter Frodo, ebenfalls kampfbereit mit gezogenem Schwert. »Den Sternen sei Dank! Aber die Elben würden ein Lied darauf dichten, wenn sie jemals davon hörten. Hoffentlich kann ich’s ihnen noch erzählen und sie singen hören. Geh nicht weiter, Master Frodo! Geh nicht runter in diese Höhle! Jetzt haben wir unsere Chance. Nur raus aus diesem stinkenden Loch!«
    Und so machten sie wieder kehrt und gingen weiter, bald in Laufschritt fallend, denn der Boden des Stollens stieg nun steil empor,

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