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Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)

Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)

Titel: Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John R Tolkien
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der anderen Hand Frodos Kopf an, küsste ihn auf die kalte Stirn und streifte vorsichtig die Kette darüber. Er bettete den Kopf sanft wieder zur Ruhe. Nichts regte sich in dem stillen Gesicht, und dies, mehr als alle anderen Zeichen, überzeugte Sam endlich davon, dass Frodo tot war und die Fahrt nicht fortsetzen würde.
    »Auf Wiedersehn, mein Master, mein Lieber!«, murmelte er. »Verzeih deinem Sam. Er kommt wieder hierher, wenn die Sache erledigt ist – und er es schafft. Und dann verlässt er dich nicht wieder. Bleib still hier liegen, bis ich wieder da bin. Möge nichts Böses dir zu nah kommen! Und wenn die hohe Frau mich hören und mir einen Wunsch erfüllen könnte, dann würd ich mir wünschen, dass ich zurückkomme und dich vorfinde. Auf Wiedersehn!«
    Dann beugte er den Kopf und hängte sich die Kette um. Sofort zog das Gewicht des Ringes ihm den Kopf abwärts, als hinge ein großer Stein daran. Doch allmählich, als ob das Gewicht abnähme oder ihm neue Kräfte zuwüchsen, konnte er den Kopf wieder heben. Aufzustehen kostete einige Anstrengung, aber dann merkte er, dass er gehen und die Last tragen konnte. Und für einen Moment hob er die Phiole und blickte auf Frodo hinab; und das Licht, das nun mild leuchtete wie der Abendstern im Sommer, zeigte Frodos Gesicht wieder in seiner echten Farbe, bleich, aber schön und mit etwas Elbischem darin, der Farbe von einem, der schon lang die Schattenhinter sich gelassen hat. Und mit dem bitteren Trost, den dieser letzte Anblick gewährte, wandte Sam sich ab, steckte das Licht weg und stapfte in die zunehmende Dunkelheit davon.
    Er brauchte nicht weit zu gehen. Der Stollen lag ein Stück weit hinter ihm, die Pass-Spalte kaum zweihundert Schritt voraus. Der Pfad war in der Dämmerung sichtbar, eine tiefe, in Jahrhunderten ausgetretene Furche, die in einem langen Graben mit Felsen zu beiden Seiten sachte bergauf führte. Der Graben wurde zusehends schmaler. Bald kam Sam zu einer langen Treppenflucht mit breiten, flachen Stufen. Der Orkturm, schwarz und drohend, stand nun dicht über ihm, und das rote Auge darin glühte. Im dunklen Schatten darunter war er gut gedeckt. Er kam ans obere Ende der Treppe und war in der Felsspalte.
    »Ich habe mich entschlossen«, sagte er sich immer wieder. Aber es stimmte nicht. Er hatte sich zwar alle Mühe gegeben, sich die Sache zu überlegen, aber was er nun tat, ging ihm wider die Natur. »Hab ich mich falsch entschieden?«, brummte er. »Was hätte ich tun sollen?«
    Als die steilen Wände der Spalte sich um ihn schlossen, bevor er den höchsten Punkt erreicht hatte und den Weg vor sich sah, der ins Namenlose Land hinabführte, drehte er sich noch einmal um. Regungslos stand er einen Moment da und blickte zurück, von unerträglichen Zweifeln geplagt. Wie einen kleinen schwarzen Fleck konnte er in der zunehmenden Dunkelheit noch die Mündung des Tunnels erkennen, und er glaubte auch sehen oder erraten zu können, wo Frodo lag. Er bildete sich ein, dort unten am Boden einen Lichtschimmer zu sehen; aber vielleicht spielten ihm da seine Tränen einen Streich, als er zu dem steinigen Platz hinüberspähte, wo sein ganzes Leben zu Bruch gegangen war.
    »Wenn mir doch mein Wunsch erfüllt werden könnte, mein einziger Wunsch«, seufzte er, »zurückzukommen und ihn vorzufinden!« Dann endlich wandte er sich wieder dem Weg zu, der vor ihm lag. Nie war ihm etwas so schwergefallen und hatte ihm so sehr widerstrebt wie die ersten Schritte, die er nun tat.
    Nur ein paar Schritte, und jetzt nur noch wenige mehr, und dann ginge es bergab, und er sähe diese Passhöhe nie wieder. Dann plötzlich hörte er Rufe und Schreie. Wie versteinert blieb er stehen. Orkstimmen, hinter ihm und vor ihm. Geräusche von Stiefeltritten und rauhes Gebrüll: Orks kamen von der anderen Seite zur Spalte herauf, vielleicht von einem der Eingänge in den Turm. Stiefeltritte und Gebrüll auch hinter ihm. Er fuhr herum. Kleine rote Lichter blinkten dort unten, wo sie aus dem Stollen hervorkamen. Die Jagd hatte also begonnen. Das rote Auge des Turms war nicht blind gewesen. Er steckte in der Falle.
    Vor ihm waren das Flackern der Fackeln und das Klirren von Stahl schon sehr nahe. Binnen einer Minute würden sie auf dem Gipfel sein und auf ihn losgehen. Er hatte zu lange gebraucht, um sich zu entschließen, und sein Entschluss taugte jetzt gar nichts. Wie sollte er ihnen entkommen, sich oder den Ring in Sicherheit bringen? Der Ring! Er war sich keiner Überlegung oder

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