Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
alten Mann in die Augen. »Eure Erlaubnis zu gehen, Herr, nehme ich an«, sagte er; »denn Gandalf muss ich unbedingt sehen. Aber er ist kein Narr, und ich denke nicht daran, zu sterben, solange er noch nicht am Leben verzweifelt. Aber von meinem Wort und Eurem Dienst will ich nicht entbunden werden, solange Ihr lebt. Und wenn sie am Ende doch hier in die Zitadelle eindringen, dann werde ich hoffentlich Euch zur Seite stehen und mich der Rüstung würdig erweisen, die Ihr mir gegeben habt.«
»Tu, was du willst, Master Halbling!«, sagte Denethor. »Doch mein Leben ist dahin. Lass meine Diener kommen!« Er wandte sich wieder Faramir zu.
Pippin verließ ihn und rief die Diener, und sie kamen, sechs Männer aus Denethors Hausvolk, stark und stattlich; und doch kamen sie zitternd. Aber Denethor befahl mit ruhiger Stimme, Faramir warm zuzudecken und das Bett hochzuheben. Sie taten es und trugen es aus der Kammer. Langsamen Schritts, um den Fiebernden so wenig wiemöglich zu beunruhigen, gingen sie hinaus, gefolgt von Denethor, der sich nun auf einen Stock stützte; und als Letzter kam Pippin.
Aus dem Weißen Turm schritten sie hinaus, als gingen sie zu einem Begräbnis, hinaus in die Dunkelheit unter der tiefhängenden, von unten trübrot angeflackerten Wolke. Leise traten sie in den weiten Hof, und auf ein Wort Denethors hielten sie neben dem verdorrten Baum.
Alles war still, bis auf den von unten aus der Stadt heraufdringenden Kriegslärm, und sie hörten das Wasser traurig von den toten Zweigen in den dunklen Teich tropfen. Dann gingen sie weiter, zum Tor der Zitadelle hinaus, wo der Wachtposten sie erstaunt und entsetzt ansah, als sie vorüberkamen. Nach Westen abbiegend, gelangten sie schließlich zu einer Tür in der rückwärtigen Mauer des sechsten Rings. Fen Hollen wurde sie genannt, die verschlossene Tür, denn nur zu Begräbnissen wurde sie geöffnet, und nur der Herr der Stadt durfte durch sie eintreten oder diejenigen, die das Zeichen der Grabhüter trugen und die Häuser der Toten pflegten. Dahinter führte ein Weg in vielen Windungen zu dem schmalen Landstreifen unter der Schulter des Mindolluin hinab, wo die Grabgewölbe der toten Könige und der Statthalter standen.
Ein Pförtner saß in einer Hütte am Wegrand, und die Angst stand ihm in den Augen, als er mit einer Laterne in der Hand herauskam. Auf Denethors Befehl schloss er die Tür auf, und leise öffnete sie sich; und sie gingen hindurch, seine Laterne mitnehmend. Es war dunkel auf dem abschüssigen Weg zwischen uralten Mauern und vielsäuligen Geländern, die im schwankenden Laternenschein auftauchten. Ihre langsamen Schritte hallten wider, als sie hinunterstiegen, immer weiter hinunter, bis sie schließlich die Stille Straße, Rath Dínen, erreichten, zwischen fahlen Kuppeldächern, leeren Hallen und den Bildern längst verstorbener Menschen; und dort traten sie ein ins Haus der Statthalter und setzten ihre Last zu Boden.
Als Pippin sich besorgt umschaute, sah er, dass er sich in einer weiten, überwölbten Kammer befand, deren Wände im Schein der kleinen Laterne wie von Schatten verhangen waren. Undeutlichkonnte er mehrere Reihen aus Marmor gehauener Tische erkennen, und auf jedem Tisch lag schlafend eine Gestalt, die Hände gefaltet, den Kopf auf Stein gebettet. Ein breiter Tisch jedoch, ganz in der Nähe, stand leer. Darauf legten sie auf ein Zeichen Denethors Faramir und Denethor selbst Seite an Seite, breiteten eine Decke über sie und blieben dann gesenkten Hauptes wie Trauernde an einem Totenbett stehen.
Denethor sagte mit leiser Stimme: »Hier wollen wir warten. Doch schickt nicht nach den Einbalsamierern! Bringt uns schnell brennendes Holz, legt es rings um und unter uns, und gießt Öl darauf. Und wenn ich es euch sage, werft eine Fackel hinein. Tut, wie ich euch gesagt habe, und sprecht nicht mehr mit mir! Lebt wohl!«
»Mit Eurer Erlaubnis, Gebieter!«, sagte Pippin, drehte sich um und floh voller Entsetzen aus dem Totenhaus. »Der arme Faramir!«, dachte er. »Ich muss Gandalf holen. Der arme Faramir! Höchstwahrscheinlich braucht er Arznei und keine Tränen. Ach, wo finde ich bloß Gandalf? Mitten im Getümmel, vermutlich, und dann hat er keine Zeit für Sterbende oder Verrückte.«
An der Tür drehte er sich noch mal zu einem der Diener um, die als Wache zurückblieben. »Euer Gebieter ist nicht bei sich«, sagte er. »Macht langsam! Bringt kein Feuer her, solange Faramir noch lebt! Tut nichts, bis Gandalf kommt!«
»Wer
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