Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
gebietet in Minas Tirith?«, antwortete der Mann. »Der Herr Denethor oder der Graue Wanderer?«
»Der Graue Wanderer oder niemand, wie es scheint«, sagte Pippin und rannte davon, den gewundenen Weg wieder hinauf, so schnell ihn die Füße trugen, an dem erstaunten Pförtner vorüber und zur Tür hinaus, dann weiter, bis er am Tor der Zitadelle vorüberkam. Der Wachtposten rief ihn an, und er erkannte Beregonds Stimme.
»Wohin so eilig, Herr Peregrin?«, rief er.
»Mithrandir holen«, antwortete Pippin.
»Die Aufträge des Gebieters sind dringlich und sollen von mir nicht behindert werden«, sagte Beregond, »doch sag mir in allerKürze, wenn du kannst: Was geht hier vor? Wo ist der Gebieter hingegangen? Ich habe eben erst den Dienst angetreten, aber ich habe gehört, er ist zur verschlossenen Tür gegangen, und die Diener haben Faramir vor ihm hergetragen.«
»Ja«, sagte Pippin, »in die Stille Straße.«
Beregond senkte den Kopf, um seine Tränen zu verbergen. »Sie haben gesagt, er liege im Sterben«, seufzte er, »und nun ist er tot.«
»Nein«, sagte Pippin, »noch nicht! Und auch jetzt wäre sein Tod noch zu verhindern, glaube ich. Aber der Gebieter der Stadt ist gefallen, Beregond, bevor seine Stadt noch gefallen ist. Er ist von Sinnen und gefährlich.« Rasch berichtete er von Denethors sonderbarem Reden und Tun. »Ich muss sofort Gandalf holen.«
»Dann musst du hinunter in die Schlacht.«
»Ich weiß. Der Gebieter hat mich freigestellt. Aber wenn du irgend kannst, Beregond, dann tu etwas, damit nichts Furchtbares passiert!«
»Der Gebieter erlaubt nicht, dass die Träger der schwarzsilbernen Tracht aus irgendeinem Grund ihren Posten verlassen, es sei denn auf seinen Befehl.«
»Nun, du hast die Wahl zwischen deinen Vorschriften und Faramirs Leben«, sagte Pippin. »Und was die Befehle angeht, so glaube ich, du hast es mit einem Wahnsinnigen zu tun, nicht mit deinem Gebieter. Ich muss weiter. Ich komme zurück, wenn ich kann.«
Er rannte weiter, die Straße hinunter zu den äußeren Stadtringen. Menschen, die vor den Bränden flohen, kamen ihm entgegen, und manche riefen ihm etwas zu, als sie seine Tracht sahen, aber er beachtete sie nicht. Endlich kam er durchs zweite Tor; dahinter brannten große Feuer zwischen den Mauern. Trotzdem war es sonderbar still. Kein Lärm, kein Kampfgeschrei oder Waffengetöse waren zu hören. Dann plötzlich kam ein ohrenbetäubender Schrei, gefolgt von einer gewaltigen Erschütterung und einem tiefen, dröhnenden Krachen. Die Knie bebten ihm vor Angst, aber gegen das Grauen, das ihm wie ein Sturm ins Gesicht blies, rannte er um eineEcke und kam auf den großen Platz hinter dem Stadttor hinaus. Jäh blieb er stehen. Gandalf hatte er gefunden, aber er schrak zurück und duckte sich in den Schatten.
Seit Mitternacht lief der große Sturmangriff. Trommeln wirbelten. Von Norden und Süden rückte eine Kompanie der Feinde nach der andern gegen die Mauern an. Große Tiere brachten sie mit, die im flackernden roten Licht wie wandelnde Häuser aussahen, die Mûmakil aus dem Harad, die gewaltige Türme und Maschinen durch die Gassen zwischen den Feuern zogen. Doch was sie alle taten und wie viele von ihnen fallen mochten, kümmerte den Feldherrn nicht sonderlich: Ihr Zweck war nur, die Stärke der Verteidigung zu prüfen und Gondors Streiter an vielen Stellen zu beschäftigen. Den härtesten Stoß gedachte er gegen das Stadttor zu führen. So fest es auch sein mochte, von Stahl und Eisen und mit Türmen und Basteien von unzerbrechlichem Stein bewehrt, war es doch das Schlüsselloch, der schwächste Punkt in der ganzen hohen, undurchdringlichen Mauer.
Die Trommeln wirbelten lauter. Große Maschinen krochen übers Feld heran; und in ihrer Mitte kam ein riesiger Rammbock, dick wie ein Baum und hundert Fuß lang, aufgehängt an mächtigen Ketten. Lange war er in Mordors dunklen Waffenschmieden zurechtgeschliffen worden, und sein hässlicher Kopf, aus schwarzem Stahl gegossen, hatte die Form einer Wolfsschnauze und war mit mauerbrechenden Worten beschriftet. Grond nannten sie ihn, in Erinnerung an den Unterwelthammer der alten Zeiten. Große Viecher zogen ihn, Orks deckten ihn an den Seiten, und hinterdrein kamen Bergtrolle, um ihn ins Ziel zu wuchten.
Aber am Tor war der Widerstand noch nicht erlahmt; hier kämpften die Ritter von Dol Amroth und die Tapfersten der Verteidiger. Auf die Angreifer hagelten Pfeile und Wurfspieße herab, Belagerungstürme stürzten um oder
Weitere Kostenlose Bücher