Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
aufs Gemüt. Er wusste schon kaum mehr, warum er so darauf erpicht gewesen war mitzureiten, da doch sein Zurückbleiben in jeder Weise entschuldigt gewesen wäre, sogar durch den Befehl des Königs. Außerdem fragte er sich, ob Théoden wohl inzwischen von seinem Ungehorsam erfahren hatte und ihm böse war. Wahrscheinlich nicht. Dernhelm schien in einem stillen Einvernehmen mit Elfhelm zu stehen, dem Marschall, der die Éored , mit der sie ritten, befehligte. Er und alle seine Männer beachteten Merry nicht und taten so, als hörten sie nicht,wenn er etwas sagte. Ebenso gut hätte er ein Gepäckstück sein können, das Dernhelm im Sattel mitführte. Dernhelm war auch kein Trost: Er redete mit niemandem. Merry kam sich klein, unerwünscht und verlassen vor. Und langsam wurde es nun brenzlig; das Heer näherte sich der Gefahrenzone. Es war kein Tagesritt mehr bis zu den Außenmauern, von denen die Stadtfelder um Minas Tirith umgeben waren. Kundschafter waren vorausgeschickt worden, und manche waren nicht zurückgekehrt. Andere kamen in höchster Eile und meldeten, die Straße sei vom Feind besetzt. Ein ganzes Heer lagere darauf, drei Meilen westlich des Amon Dîn, und einige Trupps von Menschen stießen schon längs der Straße vor und seien nur noch drei Wegstunden entfernt. Orks streiften durch die Hügel und Wälder am Straßenrand. Mitten in der Nacht hielten der König und Éomer Rat.
Merry hätte gern mit jemandem geredet, und er dachte an Pippin. Aber dabei wurde er nur noch unruhiger. Der arme Pippin, der saß jetzt wohl eingeschlossen in der großen steinernen Stadt, einsam und in Angst. Merry wünschte sich, er wäre ein großer, starker Reiter wie Éomer und könnte ein Horn blasen oder irgendwas Mannhaftes tun und seinem Freund im Galopp zu Hilfe eilen. Er setzte sich auf und lauschte dem Getrommel, das wieder begonnen hatte, jetzt ziemlich nah. Dann hörte er leise Stimmen und sah trübe, halb verhüllte Laternen zwischen den Bäumen hindurchgehen. In der Nähe begannen Männer sich tastend im Dunkeln zu bewegen.
Jemand sehr Großes kam, stolperte über ihn und verwünschte die Baumwurzeln. Er erkannte Marschall Elfhelms Stimme.
»Ich bin keine Baumwurzel, mein Herr«, sagte er, »und auch kein Sattelsack, sondern ein armer, getretener Hobbit! Um es wiedergutzumachen, könntest du mir wenigstens sagen, was im Gange ist.«
»Alles, was sich in dieser teuflischen Dunkelheit auf den Beinen halten kann«, sagte Elfhelm. »Aber der König hat Nachricht geschickt, dass wir uns bereithalten müssen. Es kann sein, dass Befehl zu einem plötzlichen Aufbruch ergeht.«
»Kommt denn der Feind?«, fragte Merry besorgt. »Sind das deren Trommeln? Ich hab schon gedacht, ich bilde mir’s nur ein, weil es niemand sonst zu bemerken schien.«
»Nein, nein«, sagte Elfhelm, »der Feind ist auf der Straße, nicht in den Hügeln. Was du da hörst, sind die Wasa, die wilden Waldmenschen: So reden sie miteinander über Entfernungen. Sie hausen immer noch im Drúadan-Wald, heißt es. Überreste eines alten Volkes sollen sie sein, gering an Zahl, und sie leben im Verborgenen, wild und scheu wie die Tiere. Sie haben keinen Krieg mit Gondor oder der Mark; aber jetzt sind sie in Sorge wegen der Dunkelheit und wegen der Orks; sie befürchten die Wiederkehr der Dunklen Jahre, was ja auch gar nicht so unwahrscheinlich ist. Seien wir dankbar, dass sie nicht Jagd auf uns machen: Es heißt, sie schießen mit Giftpfeilen und sind unvergleichlich waldkundig. Aber nun haben sie Théoden ihre Dienste angeboten. Einer ihrer Häuptlinge wird eben zum König geführt. Dahinten siehst du die Lichter. So viel hab ich gehört, mehr weiß ich auch nicht. Aber jetzt muss ich mich um meinen Befehl kümmern. Pack dich zusammen, Herr Sattelsack!« Er verschwand im Dunkeln.
Das Gerede von wilden Waldmenschen und ihren Giftpfeilen behagte Merry gar nicht, aber ganz abgesehen davon lastete eine zentnerschwere Bedrückung auf ihm. Dieses Warten war unerträglich. Er musste wissen, was nun geschehen würde. Er stand auf und schlich vorsichtig der letzten Laterne nach, die noch nicht zwischen den Bäumen verschwunden war.
Bald kam er zu einer Lichtung, wo man unter einem hohen Baum ein kleines Zelt für den König aufgestellt hatte. Eine große Laterne, oben abgedeckt, hing an einem Zweig und warf einen blassen Lichtkreis nach unten. Da saßen Théoden und Éomer, und vor ihnen auf dem Boden hockte ein seltsames Mannsbild, verwittert wie ein alter
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