Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
doch eine Frau?«, sagte er. »Sind denn selbst die Frauen der Rohirrim unsertwegen mit ins Feld gezogen?«
»Nein, nur diese eine«, antworteten sie ihm. »Frau Éowyn ist sie,Éomers Schwester; und bis zu dieser Stunde wussten wir nicht, dass sie mit uns geritten war; und nun reut es uns.«
Als der Prinz sah, wie schön sie war, obwohl ihr Gesicht bleich und kalt war, beugte er sich über sie, um sie näher anzusehen, und berührte sie bei der Hand. »Ihr Männer von Rohan!«, rief er. »Sind denn keine Feldscher unter euch? Verwundet ist sie, vielleicht zu Tode, aber ich glaube, sie lebt noch.« Und er hielt ihr seine blank geschliffene Armschiene vor die kalten Lippen, und ein schwacher Hauch schlug sich kaum sichtbar darauf nieder.
»Nun ist Eile geboten«, sagte er und ließ einen Mann schnell in die Stadt zurückreiten, um Hilfe zu holen. Er selbst aber, nachdem er sich vor den Gefallenen tief verbeugt hatte, sagte ihnen allen Lebewohl und ritt davon ins Gefecht.
Immer heißer tobte nun der Kampf auf den Feldern des Pelennor, und der Waffenlärm, vermischt mit den Schreien der Männer und dem Wiehern der Pferde, wurde ohrenbetäubend. Hörner schmetterten und Trompeten gellten, und die Mûmakil brüllten, als man sie in die Schlacht trieb. Vor den südlichen Stadtmauern ging Gondors Fußvolk gegen die Morgul-Legionen an, die noch immer in großer Stärke dort standen. Die Berittenen aber stießen nach Osten vor, um Éomer zu Hilfe zu kommen: Húrin der Lange, der Schlüsselbewahrer, der Fürst von Lossarnach, Hirluin der Schöne von den grünen Bergen und Fürst Imrahil mit all seinen Rittern.
Nicht zu früh kamen sie, denn von Éomer hatte das Glück sich abgewandt, und seine Wut hatte ihn fehlgeleitet. Zwar hatte sein rasender Sturmangriff die Schlachtordnung der Feinde zertrümmert und große Keile der Reiter mitten durch die Reihen der Südländer getrieben, sodass die feindlichen Reiter versprengt und das Fußvolk niedergeritten wurden; aber wo die Mûmakil auftauchten, da gehorchten die Pferde der Rohirrim dem Zügel nicht mehr, sondern scheuten und schwenkten ab, und die großen Tiere blieben unangefochten und standen im Feld wie Wehrtürme, um die sich die Haradrim sammeln konnten. Und wenn die Rohirrim zu Beginn ihresAngriffs mit den Haradrim allein schon eine dreifache Überzahl gegen sich hatten, so wurde ihre Lage bald schlimmer, denn neue Streitkräfte strömten nun von Osgiliath ins Feld. Dort hatte man sie für die Plünderung und Verwüstung von Minas Tirith und von ganz Gondor in Bereitschaft gehalten, und sie warteten nur auf den Marschbefehl ihres Feldherrn. Der war nun nicht mehr auf seinem Posten; aber Gothmog, der Statthalter von Minas Morgul, warf sie ins Gefecht: Ostlinge mit Äxten und Variags aus Khand, Südländer in scharlachroten Kleidern, und aus Fern-Harad kamen schwarze Menschen, die aussahen wie Halbtrolle mit weißen Augen und roten Zungen. Teils drohten sie nun, den Rohirrim in den Rücken zu fallen, teils drängten sie weiter nach Westen vor, um die Streiter aus Gondor aufzuhalten und ihre Vereinigung mit Rohan zu verhindern.
Und eben, als sich der Tag gegen Gondor zu wenden begann und die Hoffnungen der Verteidiger ins Wanken gerieten, stieg ein neuer Schreckensruf in der Stadt auf. Es war Vormittag, und die Sonne schien, aber ein starker Wind blies und peitschte die Regenschauer nach Norden, und bei diesem klaren Wetter bot sich den Wachtposten auf den Mauern von fern ein Bild, das ihnen die letzte Hoffnung nahm.
Denn nach der Biegung beim Harlond nahm der Anduin einen Lauf, der von der Stadt aus weit zu überblicken war, und wer scharfe Augen hatte, konnte über mehrere Wegstunden hin alle Schiffe sehen, die sich näherten. Und was sie dort nun sahen, ließ die Posten entsetzt aufschreien. Schwarz auf dem glitzernden Strom erschien eine Flotte, die vor dem Wind lief: feuerträchtige Dromonen und vielruderige Schiffe mit großem Tiefgang, die schwarzen Segel windgebläht.
»Die Korsaren von Umbar!«, riefen die Männer. »Seht, die Korsaren von Umbar kommen! Also haben sie Belfalas eingenommen und das Ethir auch, und Lebennin ist verloren. Die Korsaren kommen über uns! Das hatte noch gefehlt!«
Und eigenmächtig, denn niemand führte in der Stadt mehr denBefehl, rannten manche zu den Glocken und läuteten Alarm; und andere bliesen das Trompetensignal zum Rückzug. »Zurück zu den Mauern!«, riefen sie. »Zurück zu den Mauern! Zurück in die Stadt, ehe alles
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